Handball-Bundesliga: Der letzte Strohhalm
Der finanziell angezählte HSV Handball entscheidet heute, ob er einen dritten Versuch unternimmt, doch noch eine Lizenz für die Bundesliga zu bekommen.
HAMBURG taz | Noch ist nicht alles aus. Irgendwo inmitten all dieser Trümmer, zu denen das Projekt HSV Handball innerhalb nur weniger Wochen verkommen ist, glimmt immer noch ein Fünkchen Hoffnung. Am heutigen Dienstag will die Vereinsführung unter Interimspräsident Frank Spillner entscheiden, ob der Gang vor das Schiedsgericht der Handball Bundesliga (HBL) vollzogen werden soll. Es wäre der Versuch, in dritter Instanz doch noch die Bundesligalizenz für die Saison 2014/15 zu erlangen. Das HBL-Präsidium hatte nämlich den Hamburgern vor einer Woche die Lizenz in zweiter Instanz aus wirtschaftlichen Gründen verweigert.
Der Gang vor das Schiedsgericht würde den HSV 10.000 Euro kosten. Das ist mittlerweile viel für einen Klub, bei dem es während der Regentschaft des Präsidenten und Mäzens Andreas Rudolph noch um Millionen ging, nicht um Zehntausende. In den mehr als neun Jahren unter Rudolph wurden immer wieder Topstars gekauft. Durch die Verpflichtungen wurde der Kader aufgebläht, als gäbe es kein Morgen mehr.
Ende Mai 2013 war der HSV dann ganz oben. In Köln gelang der Triumph in der Champions League. Anfang Juni 2014, knapp einen Monat nach dem Abgang des Präsidenten und Mäzens, geht es nur noch darum, ob es den HSV weiter geben wird.
Den jungen Klub drücken Verbindlichkeiten in Höhe von 2,7 Millionen Euro. Die Profis hatten sich infolge der bedrohlichen Lage dazu bereit erklärt, auf einen Teil der Gehälter für die Monate April, Mai und Juni zu verzichten. Durch den Lizenzentzug würde dieser Verzicht hinfällig.
Es gibt drei mögliche Szenarien für die Zukunft des HSV. Eines davon sieht so aus, dass der HSV doch noch in der Bundesliga bleiben darf. Dazu müssten der HBL aber Fehler beim Lizenzverfahren nachgewiesen werden. „Es gibt dafür einige Ansätze“, sagte Matthias Rudolph, Aufsichtsratsmitglied, Mehrheitsgesellschafter und Bruder des ehemaligen Mäzens und Präsidenten Andreas Rudolph.
Der Verein lässt sich dazu von einem Experten im Sportrecht ein Gutachten erstellen. Entscheidet sich der HSV heute zu diesem Schritt, würde das Urteil bis spätestens Ende Juni gesprochen werden. Die Erfolgsaussichten dürften aber nur gering sein. Bestätigt das HBL-Schiedsgericht die ersten beiden Entscheidungen zur Lizenzierung, müsste der HSV als Zwangsabsteiger die Bundesliga verlassen. Der Drittletzte, HBW Balingen-Weilstetten, dürfte in der Bundesliga bleiben.
Da die HSV-Klubführung die Lizenz für die 2. Bundesliga nicht beantragt hat, weil stets an eine Spielberechtigung für die Bundesliga geglaubt wurde, ginge es für den Verein dann nur noch um die Teilnahme an der 3. Liga.
In dem Fall gäbe es zwei weitere Szenarien: Der HSV könnte den Neustart in der Drittklassigkeit in Angriff nehmen – mit einer stark veränderten Mannschaft, da viele Stars gehen würden. Oder aber die Klubführung gibt den Verein auf. Der HSV Handball würde aus dem Vereinsregister gestrichen und den Fans bliebe nur die Erinnerung an große Momente.
Bei einer Entscheidung für 3. Liga sähe die Zukunft wie folgt aus: Spiele gegen den SV Beckdorf, die TS Großburgwedel, oder – welch Schmach – Duelle mit der Reserve des THW Kiel. Mehrheitsgesellschafter Matthias Rudolph hatte den Weg in die 3. Liga nach der bestätigten Verweigerung der Lizenz zunächst ausgeschlossen. „Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“, sagte er. Das klang nach Vereinsauflösung.
Nun wird darüber nachgedacht, ob es einen Neuaufbau in der Dritten Liga geben kann. Die Spiele würden dann gewiss nicht in der 13.000 Zuschauer fassenden, teuer anzumietenden Arena im Hamburger Volkspark stattfinden. Vielleicht wäre dafür sogar die bisherige Zweitspielstätte, die Sporthalle Hamburg in Alsterdorf, mit ihren 4.200 Sitzplätzen zu groß.
Sollte es tatsächlich eine Fortsetzung in der Drittklassigkeit geben, soll sie ohne Andreas Rudolph stattfinden. Die Abhängigkeit von einer Person hat beim HSV Handball das mit sich gebracht, was bei einer Struktur dieser Art immer zu befürchten ist: Der Patron verliert das Interesse an seinem „Kind“ und auf einmal ist kein Geld mehr da.
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