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■ Hamburgs Zeitschriften: glas'zTextträger

Eine neue Nummer von glas'z erscheint immer, kurz bevor man es so recht nicht mehr erwartet. So geschehen vor einigen Tagen, so daß gegenwärtig die dritte Ausgabe des zweiten Anlaufs der Hamburger Zeitschrift im Umlauf ist. Sie ist, dies vorab, lesenswert geworden. Allerdings steht unsereiner nun vor einigen Schwierigkeiten, die Zeitschrift zu charakterisieren. Bei einer Redaktion, die sich aus dem vierten und zehnten Stock des Philturms der Hamburger Uni rekrutiert, läge der Begriff Theoriezine nahe. Nur daß die Texte (bis auf eine Ausnahme) – trotz Derrida- und Deleuze/Guattari-Anschlüssen, wie es sich für Germanistik- und Philosophiestudenten so langsam älteren Semesters gehört – über Theorie wenig hergeben. Ihre Stärken liegen darin zu zeigen, wie es sich von der Höhe jung-akademischer Debatten auf die Welt blicken läßt.

Dabei erschließt sich die Zeitschrift, so der Gesamteindruck, nicht als einheitliches Projekt, sondern allein als Textträger (die neue LP/CD) des Redaktionskollektivs (einer Band), als Schnittpunkt dessen, worauf man sich gemeinsam einigen kann. Was auch in Ordnung ist, solange was dabei rauskommt (es kommt). Der hinter diesem Ansatz lauernden Gefahr, bei Nachlassen der welthaltigen Anschlüsse im eigenen Saft zu versauern, werden sich die glas'z-Leute bewußt sein. Nach dieser Ausgabe sei es jedenfalls als Pluspunkt gewertet, daß von dieser Redaktion eher eine solide und eingehende Analyse des Impulses erwartet werden darf, Teil beispielsweise einer Jugendbewegung sein zu wollen, als tatsächlich der Impuls, es wirklich sein zu wollen.

Und worauf konnten sie sich einigen? Volker Marquardt schreibt über Techno, Holger in't Veld über Bill Laswell, beide Autoren dürften Lesern dieser Seite nicht ganz unbekannt sein. Bertram Richter führt die gute links-hedonistische Tradition des Verschränkens von Fußballberichterstattung und Gesellschaftsanalyse anhand des SC Freiburg fort. Katrin Fichtner nimmt Tarantinos Gewaltdarstellung in Reservoir Dogs instruktiv auseinander. Christian Schlüters poststrukturalistisch geschulten Essay über Gerechtigkeit haben wir uns sorgfältig zu studieren vorgenommen, wenn wir mal drei Tage am Stück frei haben. Und wer schon immer mal eine Einführung in die Situationistische Internationale und das Treiben Guy Debords haben wollte, findet sie in Stefan Müllers Aufarbeitung der Geschichte dieser Bewegung.

Hinweis an den Leser: Das liest sich streckenweise mit Spaß und Erkenntnisgewinnen. Frage an glas'z: Oder wollt ihr doch Teil einer Jugendbewegung sein?

Dirk Knipphals

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