: Hamburgs Polizeipräsident wirft das Handtuch
■ Arved Semerak kam mit dem Rücktritt einer Entlassung zuvor. Sein Hauptgegner war der Cheffahnder im Reemtsma-Entführungsfall, Dieter Langendörfer
Hamburg (taz) – In Hamburgs Polizeispitze kriselt es mächtig: Polizeipräsident Arved Semerak (CDU), gerade erst zehn Monate im Amt, ist gestern am späten Nachmittag zurückgetreten. Eine Begründung stand bis Redaktionsschluß noch aus. Ganz überraschend ist der Rücktritt nicht, denn als Alternative stand eine Entlassung durch Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD) im Raum.
Als erster hatte am Montag „Schmimanski“ zugeschlagen: So nennt man in Hamburg den erfolgreichen Cheffahnder der Hamburger Sonderkommission im Entführungsfall Reemtsma, Dieter Langendörfer. Er sprach Klartext: „Derrick“, also der farblose Semerak, habe „keine Ahnung von Großstadtkriminalität“, benehme sich „wie ein Frühstücksdirektor“ und lasse „Rückgrat“ vermissen. Auch den Innensenator ließ der 46jährige Machertyp und Mediendarling bei seinem Aufwasch nicht ungeschoren: Wrocklage, ehemaliger Staatsrat in der Hamburger Finanzbehörde, sei eben immer noch ein Finanzbeamter und in Sachen Polizei inkompetent.
Zwar stellte Langendörfer, der zum 1. August in die Polizeiführungsakademie nach Münster-Hiltrup wechselt, gestern klar, daß er die Kritik nicht als Polizist, sondern als Hamburger Landesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter geäußert habe. Aber dann legte er nochmal nach: Die „Verbrechensbekämpfung“ liege in Hamburg darnieder, die Wirtschaftskriminalität sei praktisch ein weißer Fleck der Polizeiarbeit, wo „Verbrechen sich lohnt“. Hamburg drohe, so malte er in den allerdüstesten Farben, „ein Zentrum der organisierten Kriminalität und der Mafia“ zu werden.
Auch die Hamburger CDU forderte seit vorgestern den Rücktritt des christdemokratischen Polizeipräsidenten. Sie setzte noch eins drauf und will, daß der sozialdemokratische Innensenator gleich mitverschwindet. „Beide sind die falschen Personen, beide sollten die Konsequenzen ziehen“, meinte Unionsrechtsaußen Ehlers.
Gegen Semerak hatte ebenfalls der SPD-Abgeordnete und DGB- Chef von Hamburg, Erhard Pumm, gefaucht. Semerak habe „in seiner schlichten Art die Dimension seines Amtes nicht erkannt“, erklärte Pumm, der selber einmal Polizist gewesen ist.
Am späten Nachmittag, noch am Flughafen, erklärte der aus dem olympischen Atlanta hastig zurückgejettete Innensenator, daß er von seinem Polizeichef „eine Erklärung“ verlange. Die von ihm avisierte Pressekonferenz wurde durch die freiwillige Rücktrittserklärung des Gescholtenen ersetzt. Silke Mertins/Sven-Michael Veit
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