Hamburgs Innensenator: Greenwashing eines Schwarzen
Christoph Ahlhaus will vom Innensenator zum Bürgermeister in Hamburg aufsteigen. Dafür muss der Christdemokrat den grünen Koalitionspartner davon überzeugen, dass er kein konservativer Hardliner ist.
Christoph Ahlhaus hat ein Problem. Und das heißt Christoph Ahlhaus. Es gebe "eine vielleicht etwas eindimensionale Wahrnehmung" seiner Person, umschreibt der Christdemokrat, der Erster Bürgermeister in Hamburg werden möchte, sein Image. Ein wenig grobschlächtig kommt der stämmige 40-Jährige mitunter daher. Seit er Mitte Juli zum designierten Nachfolger von Bürgermeister Ole von Beust ausgerufen wurde, versucht er deshalb mit Nachdruck, Volksnähe zu demonstrieren.
Im Team mit Gattin Simone - 34, blond, schlank, attraktiv - eröffnete er den Sommerdom auf dem Heiligengeistfeld und das Stuttgarter Weinfest auf dem Rathausmarkt, schwärmte "von gemütlichen Lauben mit typisch schwäbischem Flair" oder verkündete "Frohsinn und Vergnügen". Ein wenig wirkt das Paar wie die Schöne und das Biest. Dass Christoph Ahlhaus "eigentlich ein lockerer und lustiger Typ ist", wie die Gattin beteuert, klingt nach Exklusivwissen.
Bewerbung bei der GAL
Am Mittwoch, dem 18. August, findet ein interner Mitgliederabend der Grün-Alternativen Liste (GAL) statt. Die Medien sind nicht zugelassen.
Am Sonnabend, dem 21. 8. nominiert ein CDU-Parteitag Ahlhaus offiziell als Bürgermeister-Kandidaten.
Am Sonntag, dem 22. 8. entscheidet ein GAL-Parteitag darüber, ob Ahlhaus unterstützt wird oder nicht.
Am Mittwoch, dem 25. 8. will Bürgermeister Ole von Beust (CDU) in der Bürgerschaft offiziell zurücktreten. Anschließend soll Ahlhaus zum Regierungschef gewählt werden und sein Kabinett neu ernennen.
Die größte Hürde auf dem Weg an die Spitze muss Ahlhaus am nächsten Mittwoch nehmen: Greenwashing lautet die Prozedur. Auf einem internen Mitgliederabend soll er vor der Basis des Koalitionspartners Grün-Alternative Liste (GAL) seine Bewerbungsrede halten, vier Tage später auf dem Parteitag heben oder senken die Grünen dann die Daumen.
"Ein konservatives Profil ist nicht meine Ziellinie", beteuert Christoph Ahlhaus. Die "Leitidee" von Schwarz-Grün müsse "die Versöhnung von Ökonomie und Ökologie" sein, deshalb müssten CDU und GAL gemeinsam für die restlichen 20 Monate der Legislaturperiode "beweisen, dass wir es können", sagt er beim Mittagessen in einem Biergarten im Hamburger Schanzenviertel, nur wenige Meter entfernt vom Autonomenzentrum Rote Flora. Die Pizza und das kleine Pils sollen Bodenständigkeit symbolisieren. Zur Prosecco-Fraktion zählt Ahlhaus nicht, ein Unterschied zu vielen Hamburger "Green-in-the-City"-GALiern.
Sollte er deren Wohlwollen nicht erringen, wäre das das Ende einer Koalition, die vor zweieinhalb Jahren als politisches Modell mit Strahlkraft weit über Hamburg hinaus gepriesen worden war und Deutschlands erste und einzige schwarz-grüne Landesregierung stünde auf der Kippe.
Konservativer Hardliner
Dass der Heidelberger, der erst 2001 nach Hamburg zog, kein Hanseat von Geburt ist, ist das geringere Problem. Gravierender fällt ins Gewicht, dass er beim Regierungspartner als konservativer Hardliner gilt. Ein Innensenator, sagt die grüne Parteichefin Katharina Fegebank, "als oberster Dienstherr über Polizei, Verfassungsschutz und Ausländerbehörde ist immer eine Reizfigur". Sie erwarte von Ahlhaus und seiner Partei "deutliche Bekenntnisse zum Koalitionsvertrag und zur liberalen Metropolen-CDU".
Er wisse, dass ihm "viel Skepsis" entgegenschlage, sagt Ahlhaus, und zum Teil könne er das auch verstehen. Als Innensenator habe man eben eine gewisse Rolle zu erfüllen, als Regierungschef müsse er Führungs- und Integrationskraft gleichermaßen beweisen. Bei seinem Auftritt vor der GAL, dem er "mit etwas Lampenfieber" entgegenblicke, wolle er sich bemühen, die Zweifel zu zerstreuen. "Fragt mich, was ihr wollt, redet mit mir, macht euch ein Bild von mir", ist seine Bitte an die Grünen: "Und dann gebt mir eine faire Chance."
Fragen werden sie ihn mit Sicherheit nach der schlagenden Verbindung "Ghibellinia" in seiner Heimatstadt Heidelberg. "Conkneipant" war er dort, eine Art Ehrenmitglied, und als die taz dies vor zwei Wochen berichtete, schrieb Ahlhaus eiligst einen Brief an die Verbindung mit der Bitte, ihn "aus den Listen zu streichen". Der Vorsitzende, "ein SPD-Ratsherr", wie Ahlhaus anmerkt, habe den Austritt vor wenigen Tagen "akzeptiert". Er habe "keine enge Bindung zur Ghibellinia" gehabt, sagt Ahlhaus, und nach seinem Umzug nach Hamburg sei ihm "das Thema gar nicht weiter präsent gewesen".
Auch die Abwehrmaßnahmen für seine frisch erworbene Villa in den noblen Elbvororten werden erneut zum Thema werden. Für rund eine Million Euro aus Steuergeldern müsse das denkmalgeschützte Anwesen vor Anschlägen gesichert werden, kritisiert die Opposition. Die Folgekosten für den städtischen Haushalt beim Kauf nicht ausreichend bedacht zu haben, räumt der Jurist heute ein, sei "vielleicht etwas naiv gewesen".
Antrag gegen Ahlhaus
Diese Selbsteinschätzung dürften die beiden GALier Aram Ockert und Peter Schwanewilms nicht teilen. Sie haben dem Parteitag den Antrag vorgelegt, Ahlhaus abzulehnen "und den Bruch der Koalition herbeizuführen". Sie werfen ihm "Ausfälle gegen antifaschistisches Gedenken" aus Heidelberger Zeiten vor und haben sein Zitat von 2006 ausgegraben, dass "der Beitrag der Hamburger CDU zur Bekämpfung des Rechtsradikalismus ist, das wir uns innenpolitisch so aufstellen, dass rechts von der CDU kein Bedarf für eine weitere Gruppierung ist".
Allen Kritikern, "auch diesen beiden Herren", will Ahlhaus nun am Mittwoch "die Chance geben, mich wirklich kennenzulernen". Denn jetzt gehe es um "die Reifeprüfung für Schwarz-Grün", sagt er: "Hängt das an der Person Ole von Beust oder ist es ein stabiles Politikmodell?"
Die Grünen, die Ahlhaus bereits persönlich kennen, reden auffallend sachlich über ihn. Man könne sich auf ihn verlassen, ist zu hören, der Koalitionsvertrag sei die beiderseits respektierte Geschäftsgrundlage, Differenzen im Einzelnen seien "bislang immer handhabbar" gewesen. Sie habe Ahlhaus in zweieinhalb Jahren Senat, formuliert etwa die Zweite Bürgermeisterin Christa Goetsch, "als pragmatischen Kollegen erlebt". Begeisterung klingt anders, aber eine Koalition ist ja keine Liebesheirat.
Einer der schärfsten Kritiker ist Gregor Dutz, Chef der Grünen Jugend. Für ihn ist klar, "dass Ahlhaus ein rechter Hardliner und als schwarz-grüner Bürgermeister nicht tragbar ist". Es werde mit ihm, versichert Ahlhaus auf diese Vorhaltungen, "definitiv keinen Rechtsruck geben".
Als er am 30. Juli den Sommerdom eröffnete, stand er vor der Wildwasserbahn. In seinem Rücken prangte ein großes Schild: "Bitte rechts aussteigen".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“