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Hallo Zielgruppe!

■ Ab heute am Kiosk: "Fit for fun", ein Magazin für Menschen in Jogginganzügen

Von Tilman Baumgärtel

22 Millionen der 62 Millionen Deutschen in den alten Bundesländern treiben mindestens einmal die Woche Sport. Über die Hälfte davon üben sieben oder mehr Sportarten aus. Eine Million hält sich gar für Leistungssportler – so steht es in der Nullnummer von Fit for fun, einer neuen Sport-Zeitschrift, die heute an die Kioske kommt. Fit for fun ist die neueste Risiko-Sportart des Hamburger Yuppie-Verlegers Dirk Manthey. Seine Verlagsgruppe Milchstraße hat uns in den letzten Jahren mit Zeitschriften wie Cinema, Max und TV Spielfilm beglückt, die alle dieselbe Zielgruppe anvisieren: 20plus-Jährige mit leicht überdurchschnittlichen Einkommen, die man der werbetreibenden Industrie als attraktive Zielgruppe andienen kann.

Fit for fun richtet sich an eine neue Spezies von LeserInnen, die ein genuines Produkt des Freizeitparks Bundesrepublik sind, aber bislang noch kein eigenes Print- Medium haben: junge Jogginganzug-TrägerInnen, die mit Fitneßstudio-Exerzitien Kraft durch Fun schöpfen. Fit for fun, so scheint es nach der Lektüre der Nullnummer, soll gelesen werden zwischen Survival-Training in der Eifel und Club-Med-Fitneß-Urlaub, zwischen Bungee-Springen von der Autobahnbrücke und Amoklauf im Sportswear-Shop.

Dieser neudeutschen Definition von Breitensport folgend, wird körperliche Ertüchtigung nur ein Themenbereich von Fit for fun sein, wie Verleger Manthey im Editorial ankündigt. Neben Berichten über den „Trendsport“ Golf und Tips zum Bauchmuskeltraining gibt es in der Nullnummer Artikel über Ernährung, Gesundheit, Reisen und sogenannte „Abenteuer“: Ein Kajak-Trip von Mexiko nach Alaska ist das Thema einer der „atemberaubenden“ Reportagen.

Fit for Flachsinn – unter diesem Motto hat sich Dirk Manthey, der heute 40jährige Kopf des Milchstraßen-Verlags, schon mit 21 in das Haifischbecken des Zeitschriften-Verlegens begeben. 1975 gründete er das Kino-Magazin Cinema, das ursprünglich als Cineasten- Blatt gedacht war. Von der Marktsituation schnell ernüchtert, widmete der schnauzbärtige Verleger Cinema zu einem Gratis-PR-Heft für die Filmindustrie um – die Anzeigenkunden dankten es ihm mit dicken Aufträgen.

Alles läuft auf der Milchstraße

„Meine Lieblinkslektüre war früher Mickymaus“, vertraute Manthey, der seine Projekte „aus dem eigenen Bauch“ heraus gebiert, jüngst dem Branchenblatt werben & verkaufen an. „Ich will nicht ausschließen, daß mich das beim Zeitschriftenmachen noch heute beeinflußt.“

Mickymaus-Ästhetik prägte auch den zweiten Coup Mantheys, obwohl das Konzept diesmal nicht „aus dem eigenen Bauch“, sondern von dem italienischen Verlag Rizzoli stammte: die Zeitgeist- Zeitschrift Max, ein Magazin für Konsumtrottel, die nicht lesen können, aber trotzdem eine Zeitschrift für den Wohnzimmertisch brauchen, kam 1990 auf den Markt. Seither versucht das Blatt unter der Regie von Chefredakteur Andreas Wrede wacker, die nervige Trennung zwischen Werbung und Redaktion aufzuheben: Zwischen den großzügigen Fotostrecken mit kurzen Textbeiträgen über Supermodels, Video-Regisseure, Kreativ-Direktoren oder Rockstars und den Anzeigen von Joop, Davidoff und Swatch ist häufig kein Unterschied auszumachen.

Mantheys letzter Kassenerfolg ist die 1992 gestartete TV Spielfilm: Im Februar dieses Jahres überschritt die Auflage der Fernseh- Zeitschrift erstmals die für „Programmies“ magische Grenze von zwei Millionen vertriebenen Exemplaren; der Umsatz der Verlagsgruppe Milchstraße lag nach eigenen Angaben 1993 bei 175 Millionen Mark und damit um 30 Prozent über dem Vorjahresergebnis.

Im Marktsegment „Zeitschriften für MTV-Legastheniker“ ist Dirk Manthey darum ungeschlagener Herrscher, weil sich seine Blätter einer veränderten Lesekultur angepaßt haben: Statt langwierig zu lesender Artikel setzt er auf große Fotos und poppige Illustrationen mit kurzen, leicht verständlichen Bildunterschriften. Die bunten Blätter-Zeitschriften sind darum ein ideales Werbeumfeld für Produkte für eine junge Zielgruppe, und so finden sich auch in der Nullnummer von Fit for fun – aus Max und TV Spielfilm bekannte – Anzeigenkunden wie Nike, Esprit, Diesel, Wella und adidas wieder. Mit so finanzkräftigen Inserenten im Rücken stehen die Chancen gut, daß Fit for fun sich im derzeit boomenden Sportzeitschriftenmarkt durchsetzen kann. Das wäre auch ein persönlicher Erfolg Mantheys, der selbst zur Zielgruppe seiner Zeitschrift gehört: Vier Monate des Jahres vertreibt er sich in Malibu mit Tennis, Golf, Katamaran-Fahren und Wasserski.

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