LeserInnenbriefe : Halber Sieg für Böhrnsen
Betr.: „Böhrnsens Coup“, taz Bremen vom 21.1.2006
Dass mit Böhrnsen neue Akzente in die Bremer Sanierungsstrategie kommen würden, war zu erwarten. Er hatte sich ja in den letzten Jahren bereits mehrfach kritisch zu Wort gemeldet, war aber vom „Langen“ immer wieder einbetoniert worden. Nachdem von Finanzsenator Nußbaum schon vor zwei Jahren eine Miniwende eingeleitet worden war, wonach die berüchtigten Betonprojekte verstärkt auf ihre Kosten-Nutzen-Bilanz überprüft werden sollten, nun endlich ein klares Wort, eine Wende in der „Investitionspolitik“: In den letzten zehn Jahren hat man das Geld, das man nicht hatte und das man aus Sozialkürzungen und dem Verkauf des Tafelsilbers finanziert hat, mit vollen Händen für immer zweifelhaftere Projekte rausgehauen. Das soll nun nicht mehr geschehen, denn damit hat Bremen schon viel zu lange auf Kosten zukünftiger Generationen und auch zukünftiger Parlamente gelebt, die ja bis 2015 nichts mehr wirklich entscheiden können, weil schon alle Einnahmen gebunden sind. Dieses Umdenken von Böhrnsen darf mit Fug und Recht als ein Sieg der Kritiker dieser Art von Sanierung gesehen werden, die keine war. Zehn Jahre Kritik haben sich letztlich (hoffentlich) doch gelohnt. Aber auch nur ein halber Sieg des besseren Arguments. Denn gleichzeitig ist Böhrnsen noch entfernt davon, klar zu sagen, dass die Bremer „Investitionsprogramme“ erheblich mit dazu beigetragen haben, dass die Verschuldung weiter explodiert ist und wir im Jahr 2006 mit dem zweiten verfassungswidrigen Haushalt in Folge leben. Vor diesem Hintergrund ist erneut davor zu warnen, mit der Strategie des Klagens (beim BVerfG) und Bettelns (beim Bund) einfach weiterzumachen. (…) Aber auch Böhrnsen scheint sich nicht an das eigentliche Stadtstaaten-Thema heranzutrauen: dass nämlich die historisch zufälligen Stadtgrenzen des Stadtstaates längst viel zu eng geworden sind und ein Gutteil der „Stadt“ schon außerhalb der Grenzen Bremens „stadt“-findet. Wolfram Elsner, Bremen