Hajo Schiff Hamburger Kunsträume: Die Kunst als großer Tierpark
Es ist ein bisschen wie Inventur – so als ob zu gucken wäre, ob auch im neuen Jahr noch alle da sind: Kaum ist im Kunsthaus am Klosterwall die Ausstellung der 21 Nominierten für das Hamburg-Stipendium zu Ende gegangen, eröffnet am kommenden Donnerstag der Berufsverband bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK) dort seine Jahresausstellung. Wieder gut 20 künstlerische Positionen werden diesmal unter dem Motto „Me at the Zoo“ subsummiert. Mit Bezug auf einen der ersten Beiträge auf „Youtube“ von 2005 soll die ganze Breite der Selbstdarstellung reflektiert werden.
Es ist seltsam: Während im Internet privatestes Zeug zum Weltereignis aufgeblasen wird, haben professionelle Kunstproduzenten hart um Wahrnehmung zu kämpfen. Da stellt sich schon mal die Vorstellung ein, die Kunst sei ein großer Tierpark, in dem einem staunenden Publikum vom Aussterben bedrohte Seltsamkeiten vorgeführt werden. Und sieht man sich nicht selbst betroffen, so bleibt doch ein einfühlendes Interesse an Tieren, in denen sich Menschliches beispielhaft spiegeln lässt: Gerrit Frohne-Brinkmanns 15 krauses Zeug plappernde Papageien haben ihm ebenso das Hamburg-Stipendium eingebracht wie die Horde Hundchen ihrer Herrin Magdalena Los.
Die weiteren glücklichen Ausgewählten sind: die eher skulptural und inszenierend arbeitenden Farideh Jamshidi, Fion Pellacini, Pablo Schlumberger und Saskia Senge sowie die mit Video, Film und Performance im weiteren Sinne arbeitenden Mona Herrmann, Marko Mijatovic, Judith Rau und Goscha Steinhauer. Der Zirkus kann also mit neuen Attraktionen weitergehen. Keine Zeit für Müdigkeiten. Selbst das „Resignations-Center“ von Simon Starke wird ins schöne Falkenstein ausgelagert und bietet im „Poolhaus“ im Grotiusweg 55 eine dreiteilige Installation zum mehrfachen Sinn dieses Begriffs (Eröffnung am heutigen Samstag um 19 Uhr).
Und werden alle Frustrationen überwunden, schafft es die Kunst vielleicht auch ins Museum – und trifft da wiederum auf manches Zweifelhafte. Das meint nicht die Qualität, sondern die Provenienz. An diesem Sonntag (von 11 bis 16 Uhr) veranstaltet die Kunsthalle ein Symposion zum Thema „Raubkunst. Forschung und Öffentlichkeit“. Anlass ist der 80. Geburtstag ihres ehemaligen Direktors Uwe M. Schneede. Der hatte schon vor dreizehn Jahren eine der ersten festen Stellen für Provenienzforschung eingerichtet.
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