Hajo Schiff Hamburger Kunsträume: Weiter reflektieren, wasdenn die Realität sei
Ein Foto, oh, ein Foto! Wen interessiert das eigentlich noch? Warum Abzüge an Ausstellungswänden gucken, wenn es doch Fotobücher gibt? Und welcher wilde Wahn treibt Selfies an? Vielleicht sollte man danach nicht die Bilderhersteller im Kunstbetrieb fragen, sondern einen Tatortfotografen und Spurensicherer – und das tut der „Jour Fixe“ am Samstagnachmittag, 15 Uhr, im Altonaer Künstlerhaus Frise: Clemens Hollburg, seit 1980 in Polizeidiensten, diskutiert dort mit der Künstlerin Linn Schröder, Professorin für Fotografie in Hamburg und Berlin, und dem Frankfurter Künstler-Dichter und Unstimmigkeitsjongleur JL Löffelholz über den dünnen Grat zwischen Fiktion und Dokument.
Die Feier solcher Potenzialität wäre so schön, kippte sie nicht so oft in den Wahn. Zum Beispiel die Antarktis: Dass es da Polarlichter und Pinguine gibt und ganz grässlich kalt ist, reicht der Fantasie nicht. Über die tatsächlichen Extreme hinaus vermuten Wissenschaftler unentdeckten Artenreichtum unter dem Eis – und Verschwörungstheoretiker gar versunkene Urzivilisationen oder geheime Außerirdischen-Basen: Im ebenfalls Altonaer Frappant widmen sich elf Hamburger KünstlerInnen bis 12. Mai samstag- und sonntagnachmittags der bizarren Schönheit, Vielfalt und Gefährdung von Antarctica.
Dem Schein, ja: der Fiktion des Scheins widmet sich auch die Galerie Bridget Stern im – noch mal Altona – Künstlerhaus Faktor: Der russische Feldmarschall Reichsfürst Grigori Alexandrowitsch Potjomkin soll seiner Kaiserin ja ganze Dörfer als bloße Kulisse gezeigt haben. Allerdings ist solches Real-Theater ziemlich sicher nur eine schöne Geschichte (bzw. intelligent ausgedachte üble Nachrede). Die für die Kunst so relevante zweidimensionale leere Hülle also hat es wohl nie gegeben – an die dadurch um nichts weniger schöne Vorstellung einer wirksamen Kunsttäuschung aber knüpfen Simon Strake und Günther Rost nun noch bis zum 10. Mai an.
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