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Archiv-Artikel

Haftstrafen im Pömmelte-Prozess

Vier junge Männer haben im Januar einen 12-Jährigen in Sachsen-Anhalt brutal misshandelt – sein Vater kommt aus Äthiopien. Der Älteste bekommt dreieinhalb Jahre Haft. Die drei jüngeren Angeklagten erhalten 19 bis 24 Monate – auf Bewährung

VON DOMINIK SCHOTTNER

Vier junge Männer, die im Januar dieses Jahres einen 12-Jährigen in Pömmelte (Sachsen-Anhalt) brutal misshandelt haben, sind am Montag verurteilt worden. Das Jugendschöffengericht am Amtsgericht Schönebeck verurteilte den Hauptangeklagten, den 20 Jahre alten Francesco L., wegen gefährlicher Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Nötigung zu dreieinhalb Jahren Jugendstrafvollzug. Damit blieb das Gericht unter dem von der Staatsanwaltschaft geforderten Strafmaß von drei Jahren und neun Monaten. Die 16 Jahre alten Zwillinge Kevin und Steven W. bekamen Strafen von einem Jahr und sieben Monaten – auf Bewährung. Die Zwei-Jahres-Strafe des ebenfalls 16-jährigen Morten D. wird möglicherweise noch zur Bewährung ausgesetzt. Der Prozess gegen den fünften Täter, den 14 Jahre alten Dustin G., war gegen Auflagen vorläufig eingestellt worden.

Die von „sadistischer Gewalt“ gekennzeichnete Tat habe ihren Ursprung in einer „rechtsgerichteten Gesinnung“, so die Anklage. Einer der Täter hatte den 12 Jahre alten Kevin K. am 9. Januar dieses Jahres im Beisein der anderen Angeklagten im Bus von Schönebeck nach Pömmelte angepöbelt und mit der flachen Hand auf den Kopf geschlagen. Noch im Bus fassten die Täter laut Anklage den Beschluss, dem Jungen „ein paar aufs Maul“ zu geben, schließlich habe einer wie Kevin K., dessen Vater aus Äthiopien stammt und der eine leicht getönte Hautfarbe hat, in Pömmelte nichts zu suchen.

Nachdem Kevin K. an der Barbyer Straße in Pömmelte ausgestiegen ist, um zu dem Kinderheim zu laufen, wo er zu dem Zeitpunkt wohnte, beginnt sein über eine Stunde dauerndes Martyrium. Auf die Worte des Hauptangeklagten Francesco L. hin, wonach „mein Dorf seit 20 Jahren rein“ sei, umzingelt die Gruppe Kevin K. Die Jungen bespucken das Opfer, treten auf ihn ein, schubsen ihn und lassen sich von ihm die Springerstiefel ablecken. Sie knallen den Kopf des Jungen auf einen Tisch und zwingen ihn, Bier zu trinken. Weil der sich davor ekelt, kippt einer der Täter das Bier kurzerhand über den Kopf des Opfers.

Die Täter malträtieren Kevin K. mit Fäusten, einer Bierflasche und dem Griff einer Gaspistole. Mit dieser hatte Francesco L. ihn schon nach dem Aussteigen aus dem Bus bedroht und gefragt, ob er Deutscher sei. Kevin K. solle die Wahrheit sagen, anderenfalls knalle ihn L. ab. Francesco L. ist es auch, der Kevin K. eine glühende Zigarette im linken Auge ausdrücken will, was dieser verhindern kann, indem er rechtzeitig das Lid schließt. Vier der fünf Täter beschließen da, dass es nun genug sei. Sie lassen Francesco L. mit Kevin K. alleine zurück. Irgendwann lässt auch L. von seinem Opfer ab, begleitet ihn zum Heim und droht, ihn umzubringen, falls er irgendjemandem von der Tat erzähle.

Kevin K. hat, wie sich später im Krankenhaus herausstellt, 34 separate Verletzungen davongetragen, darunter Blutergüsse, ein Schädel-Hirn-Trauma sowie eine gebrochene Nase. Staatsanwalt Arnold Murra sagte der taz, eine „solche Tat sei sicher nicht alltäglich“. Trotzdem hat die Bundesanwaltschaft, anders als im Fall des in Potsdam überfallenen schwarzen Deutschen, die Ermittlungen nicht übernommen. Es sei nicht davon auszugehen gewesen, dass die Täter ihr Opfer hätten ermorden wollen.

Für Thomas Warnecke, den Bürgermeister von Pömmelte, ist die Tat unerklärbar: „Warum machen die so was?“ Für den Rechtsradikalismusexperten David Begrich ist die Tat Beweis für die Situation in Sachsen-Anhalt. Die rechte Szene habe in der Region um Schönebeck, zu der auch Pömmelte zählt, eine „hohe kulturelle Anziehungs- und Identifikationskraft“, sagte er der taz.