Haftstrafe gegen Tauschbörsen-Betreiber: Webpiraten hinter schwedische Gardinen
Der Prozess gegen die Betreiber der Internet-Tauschbörse "Pirate Bay" hat weltweit für Aufsehen gesorgt und galt als richtungsweisend. Nun wurde das Urteil verkündet.
STOCKHOLM taz Ein Jahr Haft für alle vier Angeklagten und ein Schadensersatz in Höhe von umgerechnet rund 2,7 Millionen Euro. So lautete am Freitag das Urteil des Amtsgerichts Stockholm im Prozess gegen die Gründer der Filesharing-Seite thepiratebay.org .
Das Gericht bejahte mit diesem Urteil damit die Frage, ob die Pirate-Bay-Macher sich der Beihilfe zur Urheberrechtsverletzung schuldig gemacht haben: Sie hätten es zumindest billigend in Kauf genommen hätten, dass eine unbegrenzte Zahl von InternetuserInnen mit Hilfe dieser von ihnen zur Verfügung gestellten Plattform unter Anwendung der BitTorrent-Technik urheberrechtlich geschütztes Material auf ihre eigenen Rechner herunterladen konnten. Die auf Pirate Bay bereitgehaltenen „Wegweiser“ zu dem fraglichen Material seien ein Puzzleteil im Gesamtprozess der Verletzung von Urheberrecht, das nicht hinweg gedacht werden könnte, ohne dass damit der Tatbestand einer Copyrightverletzung erfüllt worden wäre. Und die Aktivitäten von Pirate Bay hätten – da durch Reklame finanziert - auch einen kommerziellen Hintergrund gehabt.
Die Verurteilten nahmen das Urteil gelassen auf. „Nur die Ruhe: Pirate Bay und uns persönlich wird nichts passieren“, twitterte Pirate Bay-Sprecher Peter Sunde unmittelbar nach dessen Bekanntgabe. „Selbstverständlich“, antwortete Gottfrid Swartholm Warg, einer der Angeklagten auf die Frage, ob man Berufung gegen diese Entscheidung einlegen werde. Und ironisch sprach er von „der Überraschung, die dieses Urteil wohl für den Staatsanwalt darstellt“. Dieser hatte nämlich ursprünglich eine Anklage abgelehnt, weil er an keine ausreichende Chance für eine Verurteilung geglaubt hatte.
Ludvig Werner, Vorsitzender der Musikbranchenvereinigung IFPI-Schweden sprach von einem „positiven und grundsätzlich wichtigen“ Urteil. Henrik Pontén, Sprecher des schwedischen „Antipiratenbüros“ kommentierte: „Eine klare Markierung, dass das illegal ist, eine passende Strafe dafür und ein deutliches Signal für alle, die Pirate Bay oder ähnliche Dienste benutzen.“
Eine erste Analyse zeigt eine deutliche Schwachstelle der jetzigen Entscheidung. So stellt das Schöffengericht vorwiegend auf die generellen Möglichkeiten von Pirate Bay für potentielle Urheberrechtsverletzungen ab. Macht sich aber nicht die Mühe im Einzelnen zu beweisen, inwieweit bei den konkreten 33 Fällen von Urheberrechtsverletzung, um die es bei der Anklage ausschliesslich ging, der BitTorrent-Tracker Pirate Bay technisch überhaupt eine Rolle gespielt hatte. Verwunderlich ist das allerdings nicht: Auch die Anklageschrift war trotz ihres Umfangs von 4620 Seiten zu dieser Frage ausgesprochen dünn. „Das gibt eine schnelle Berufungsschrift“, kommentierte ein Verteidiger.
Was die Frage der Höhe des Schadensersatzes angeht, urteilt das Gericht weniger als ein Viertel des von der Film-, Musik- und Computerspielbranche geforderten Schadensersatzes von 12 Mill Euro aus. Mit der pauschalen Begründung, man habe den Schaden geringer eingeschätzt, als von den Branchenorganisationen behauptet.
Konsequenzen wird das Urteil zunächst nicht haben. Vermutlich wird der Rechtstreit alle Instanzen des schwedischen Justizsystems bis zum Obersten Gerichtshof beschäftigen. Und auch ein Umweg über den EU-Gerichtshof zur Klärung der Geltung spezieller Internetdirektiven scheint nicht ausgeschlossen. Das kann sechs bis acht Jahre dauern. Der Betrieb von Pirate Bay wäre bis zu einer abschließenden Entscheidung nicht betroffen. Angesichts der rasanten Entwicklung von Internettechnik und Nutzerverhalten steht in den Sternen, ob die Bit-Torrent-Technik und diese Internetseite dann noch von grossem Interesse sein werden.
„Man hat schon jetzt das Gefühl, es geht um einen historischen Fall“, kommentiert Stefan Alariksson, Schweden-Chef des IT-Konzerns Sun: „In dieser digitalen Welt ist nun mal alles frei zugänglich. Man kann nicht einfach die Kunden und Lieferanten kriminalisieren, sondern muss offene kommerzielle Alternativen bieten. Die ganze IT-Welt bewegt sich auf eine offene Welt zu und da glaube ich nicht, dass dieser Prozess irgendeinen grösseren Einfluss haben wird.“
Ein Server, den Pirate Bay ab 2004 zum Filesharing in Gebrauch nahm und der bei der Polizeirazzia vor drei Jahren beschlagnahmt wurde, steht mittlerweile im stockholmer Technischen Museum. Neben einem Kassettenrekorder. Laut Kurator Nils Olander um der Nachwelt einmal demonstrieren zu können, um welche Techniken man sich in punkto Urheberrecht einst gestritten hat.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!