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Haftentlassung als Signal an die RAF

■ Acht Gefangene aus der RAF sollen angeblich in diesem Jahr vorzeitig entlassen werden/ Die „Strafaussetzung auf Bewährung“ soll auch für lebenslänglich Verurteilte gelten

Berlin (dpa/taz) — Acht inhaftierte Mitglieder der Rote Armee Fraktion (RAF), darunter die zu lebenslanger Haft verurteilten Günter Sonnenberg und Irmgard Möller, sollen nach Informationen der Illustrierten 'Stern‘ in diesem Jahr vorzeitig aus der Haft entlassen werden. Sie sollen nach über 15jähriger Haftzeit „durch Strafaussetzung auf Bewährung“ freikommen, berichtet das Magazin in seiner neuen Ausgabe.

Mehrere der Häftlinge, die seit Jahren in deutschen Gefängnissen sitzen, sind laut 'Stern‘ schwer erkrankt oder leiden an den Folgen schwerer Verletzungen. Als Motiv für die anstehende Freilassungsaktion zitiert das Magazin einen hohen Justizbeamten mit den Worten: „Wir haben keine Alternative, wir müssen diesen Versuch wagen, wenn wir weitere Attentate verhindern wollen.“

Die Karlsruher Bundesanwaltschaft wollte sich gestern „zum derzeitigen Sachstand“ nicht äußern. Letzte Entscheidung hätten in jedem Fall die zuständigen Gerichte, erklärte Oberstaatsanwalt Rolf Hannich. Den Bericht wollte Hannich weder bestätigen noch dementieren. Er verwies darauf, daß nach 15 Jahren Haft regelmäßig geprüft werde, ob eine bedingte Entlassung in Betracht komme. Dies gelte auch für RAF-Gefangene.

Die geplante Freilassung soll dem 'Stern‘ zufolge unter dem Siegel strengster Vertraulichkeit laufen. Zunächst sei die Entlassung der schwerkranken RAF-Mitglieder Günter Sonnenberg, Bernd Rösner und Claudia Wannersdorfer vorgesehen. Später — „vielleicht im Herbst 1992“ — sollen weitere fünf frühere RAF-Mitglieder freigelassen werden.

Sonnenberg wurde bei seiner Festnahme durch einen Kopfschuß lebensgefährlich verletzt und leidet seitdem an Konzentrations- und Gedächtnisstörungen. Bernd Rösner, wegen seiner Beteiligung am Überfall auf die deutsche Botschaft in Stockholm ebenfalls zu lebenslänglich verurteilt, sei schon vor Jahren von Ärzten und Psychiatern zum „seelischen und körperlichen Wrack“ und für nicht mehr „regelvollzugstauglich“ erklärt worden. Claudia Wannersdorfer, die bei einem Sprengstoffanschlag auf ein Stuttgarter Rechenzentrum im Januar 1985 schwer verletzt wurde, leide unter epileptischen Anfällen, hieß es. Sollten die Erfahrungen mit diesen drei nach ihrer Entlassung gut sein, „werden weitere folgen“, zitiert der 'Stern‘ aus hohen Justizkreisen. Der spektakulärste Fall sei dabei Irmgard Möller, die wegen dreifachen Mordes eine lebenslange Freiheitsstrafe in Lübeck verbüßt. Nach fast 17 Jahren Haft stehe auch die Entlassung von Lutz Taufer an, der — wie Rösner — zum „Kommando Holger Meins“ gehörte. Weiter nennt der 'Stern‘ Christine Kuby, Christa Eckes und Karl-Friedrich Grosser, die entlassen werden könnten.

Mit den Ländern Bayern und Baden-Württemberg gebe es zwar noch Abstimmungsprobleme, „aber wenn wir den Anfang geschafft haben, folgen die uns auch“, so der Justizbeamte.

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