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Haftbedingungen von TimoschenkoGauck sagt Ukraine-Besuch ab

Mitglieder der Bundesregierung sind über den Zustand der inhaftierten ukrainischen Politikerin Timoschenko besorgt. Bundespräsident Gauck hat einen Besuch in der Ukraine abgesagt.

Boykottiert die Ukraine: Bundespräsident Gauck. Bild: dpa

BERLIN taz | Bundespräsident Joachim Gauck hat eine Reise in die Ukraine abgesagt. Dort war er für Mitte Mai zu einem Treffen zentraleuropäischer Präsidenten in Jalta auf der Krim eingeladen. Dass diese Absage aus politischen Gründen erfolgte, stellte sein Sprecher klar, indem er unterstrich, Gaucks Entscheidung sei „in engem Benehmen“ mit der Bundesregierung gefallen.

Die Bundesregierung ist verärgert über Kiews Umgang mit der inhaftierten Oppositionsführerin Julia Timoschenko. Die 51-jährige Ex-Ministerpräsidentin, die sich seit Freitag im Hungerstreik befindet, hatte erklärt, sie sei in der Haft misshandelt worden. Gegen die erkrankte Politikerin, die eine siebenjährige Haftstrafe absitzt, begann letzte Woche ein neuer Prozess. Steuerhinterziehung und Betrug lauten die Vorwürfe, doch viele halten sie für politisch motiviert.

Die Bundesregierung sorgt sich um Timoschenkos Gesundheit. Außenminister Guido Westerwelle erneuerte deshalb am Mittwoch das Angebot der Bundesregierung, Timoschenko zur Behandlung nach Deutschland ausfliegen zu lassen. Dagegen aber sperrt sich die Regierung in Kiew. EU-Außenministerin Catherine Ashton forderte deshalb am Donnerstag, den Botschafter der Europäischen Union in Kiew in Begleitung von Ärzten zu der inhaftierten Ikone der „Orangenen Revolution“ vorzulassen. Der Fall Timoschenko belastet derzeit auch die Verhandlungen der Ukraine über ein Assoziierungsabkommen mit der EU.

Die sportpolitische Sprecherin der Grünen, Viola von Cramon, ist über die deutlichen Töne aus Berlin und Brüssel nicht erstaunt. Man habe seit langem an die ukrainische Seite appelliert, Timoschenko einen fairen Prozess zu gewähren. „All das scheint nicht gefruchtet zu haben“, sagte sie der taz. „Die Reaktion der Ukraine war durchweg negativ.“ Die Grüne findet die Kritik richtig: „Es geht um die demokratischen Grundwerte, die in der Ukraine durch den autokratischen Präsidenten Janukowitsch aufs Spiel gesetzt werden.“

Opposition steht hinter der Regierung

Die Oppositionsparteien SPD und Grüne stehen in dieser Frage deshalb ganz hinter der Bundesregierung. Grünen-Chef Cem Özdemir nannte Gaucks Absage ein „sehr starkes Signal“. Und SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles forderte: „Die ukrainische Regierung darf sich einer Behandlung Timoschenkos in Deutschland nicht in den Weg stellen.“

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz, brachte zudem einen Boykott der Fußball-EM in der Ukraine im Juni durch Berliner Politiker ins Spiel. Präsident Wiktor Janukowitsch habe sicher ein Interesse daran, „dass er die Spiele auf der Ehrentribüne nicht ohne internationale Gäste aus der EU verfolgt“, sagte der CDU-Politiker.

In Regierungskreisen hält man von einem solchen Boykott allerdings wenig. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) kündigte daraufhin sogar an, er werde zum Spiel Deutschland gegen die Niederlande nach Charkiw in der Ukraine fahren. „Sollte Frau Timoschenko bis dahin noch in Haft sein, möchte ich mit ihr sprechen“, sagte der Minister, der auch für den Sport zuständig ist.

Ob Gauck zur Fußball-Europameisterschaft in die Ukraine reisen will, steht noch nicht fest.

Mitarbeit: Barbara Oertel

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4 Kommentare

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  • H
    Hoga

    Außer mir kennen wahrscheinlich alle die Prozeßakten.

    Moskau müsste die Wahrheit kennen, aber die sagen nichts inhaltliches. Oder müssen wir dummen Wähler grundsätzlich glauben, dass das Unrecht niemals von einer Freundin des Westens ausgehen kann?

    Hauptsache die Fernsehpropaganda funktioniert. Fakten haben die allerdings auch nicht vorzuweisen.

    Wen interessiert es, ob die dort Fußball spielen oder nicht? Hauptsache die Einheitsmeinung gilt.

  • G
    GWalter

    Was ist mit USA??

    ist da nicht immer noch ein Schandfleck Namens Guantanamo?

    ein rechtsfreier Raum wo vermutlich viel schlimmere Sachen ablaufen?

     

    Urinierende US-Soldaten auf Leichen in Afghanistan !!

     

    Eigentlich müsste Deutschland sofort jeden Kontakt mit den USA sofort abbrechen !!!!

     

    Wird da mit zweierlei Maß gemessen? Natürlich!

     

    Diese Heuchelei ekelt mich an.

     

    NB: Timoschenko war auch keine Heilige, als sie an der Macht war, auch wenn sie sich gerne so inszenierte.

     

    Man kommt nicht darum herum, Gauck antirussische Gesinnung vorzuwerfen, welche durch sein Leben in der DDR geprägt ist. Als Bundespräsident hat er jedoch klar über solcherlei Dingen zu stehen.

     

    Vor allem weil Timoschenko nicht nur für die Orangene Revolution steht, sondern auch aus Sicht der Ukrainischen Bevölkerung vor allem für Korruption, Geld- & Machtgier, US-HÖRIGKEIT und wirtschaftlichem Niedergang, begleitet von schwerem rassistischem Verhalten gegenüber der russischen Minderheit in der Ukraine.

     

    Gauck's Handeln ist schlichtweg als dumm und eines Bundespräsidenten nicht würdig zu bezeichnen!

  • H
    Hasso

    Gauck sagt der Ukraine ab-,"aber, wir müssen mit der ukrainischen Regierung im Gespräch bleiben". Die Europameisterschaft aber findet trotzdem statt.Können dann wenigstens die Fußballer mit der ukrainischen Regierung im Gespräch bleiben? Gauck sagt ab, weil er stark vermutet, dass er ohnehin nichts erreichen kann. Dann kann man aber nicht sagen: wir müssen weiter im Gespräch bleiben.Der B-Präsident hätte zumindest versuchen müssen, der Timoschenko beizustehen.Aber die Europa-Meisterschaft muss stattfinden, weil man sich nicht auch noch mit der FIFA anlegen will.Hätte man einen Arsch in der Hose, würde man zumindest die deutsche Nationalmannschaft fernhalten. Das wäre ein mutiger Protest und es würden sicher einige Länder mitmachen-, würde Deutschland den Anfang machen. Aber, wenn man mal ehrlich ist, sind die Fußball-Länder-Meisterschaften wichtiger als die Menschenrechte.Gauck ist also auch kein Vorzeige-Präsident!Hätte die FIFA(in Zusammenarbeit mit der Politik) der Ukraine ein Ultimatum gestellt-, Timoschenko hätte eine Chance gehabt. Man hat damals aus Solidarität mit der USA die Olympischen Spiele in Moskau boykottiert, warum geht das jetzt nicht mit der Europa-Meisterschaft.

  • BG
    Bernd Goldammer

    Die geringen Teilnehmerzahlen an den gegenwärtigen Pro- Timoschenko Demonstrationen bestürzen mich. Die Frage ist, hat Frau Timoschenko ukrainische Gesetze verletzt oder nicht. Wenn ja, dann versteht es sich von selbst, dass sie dafür ausgesprochene Haftstrafe absitzen muss. Wenn Politiker auf das Verfahren Einfluss genommen hat, wird man uns stichhaltige Beweise erbringen. Wo sind sie? Wo rechtmäßig verurteilte bei Krankheit behandelt werden, ist eine innere Angelegenheit der Ukraine. Hier herrscht offenbar ein Gleichbehandlungsgrundsatz. Wollen wir dem folgend wirklich alle ukrainischen Straftäter in Deutschland behandeln und nach der Behandlung gleich im Lande behalten? Herr Gauck tritt mit der ganzen Wucht seiner Schlichtheit auf. Von ihm kann man offenbar nicht erwarten, das er erkennt, welche geostrategische Bedeutung die Ukraine für Europa hat. Die Russen aber werden sich über diesen leichten Punktsieg freuen. Zu den Menschenrechten des 20. Jahrhunderts gehört wohl auch, dass wir von Staatspräsidenten nicht in diplomatischen Schwachsinn verwickelt werden. Es wird nicht die letzte Albernheit des politischen "Gaucklers" bleiben. Schon nach wenigen Tagen ist Gauck der erste Bundespräsident, der internationale Spannungen verstärkt. Mehr wird man von ihm nicht erwarten können. Frieden war, ist und bleibt eben nicht sein Ding….