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HRE-Aktionärs-HauptversammlungBund übernimmt Mehrheit

Der Bund hat die wichtigste Hürde für die geplante Verstaatlichung des Immobilienfinanzierers Hypo Real Estate genommen. Bei der Hauptversammlung erreichte er die Mehrheit der Stimmen.

Haben wieder gut lachen: Hypo Real Estate-Vorstandsvorsitzender Axel Wieandt (r) und der Aufsichtsratsvorsitzende, Michael Endres. Bild: dpa

MÜNCHEN dpa | Der Weg zur ersten Verstaatlichung einer Bank seit dem Zweiten Weltkrieg ist frei. Auf der außerordentlichen Hauptversammlung des angeschlagenen Immobilienfinanzierers Hypo Real Estate (HRE) kam der Bund am Dienstag in München mit seinem Anteil von 47,3 Prozent des Grundkapitals auf die einfache Mehrheit der anwesenden Stimmen. Damit war klar, dass er die geplante Kapitalerhöhung der Bank, durch die sein Anteil auf 90 Prozent steigen soll, durchsetzen konnte. Mit der Abstimmung wurde wegen zahlreicher Wortmeldungen und hitziger Kommentare aufgebrachter Kleinaktionäre erst in den Abendstunden gerechnet.

Die Bundesregierung will eine Kapitalerhöhung von bis zu 5,6 Milliarden Euro. Vom Kauf der neuen Aktien sollen alle anderen Aktionäre ausgeschlossen sein, so dass sie einziger Käufer wäre und somit auf eine Mehrheit von mindestens 90 Prozent käme. Damit kann sie die restlichen Aktionäre durch ein sogenanntes Squeeze-out hinausdrängen.

HRE-Chef Axel Wieandt warb für die Verstaatlichung: "Es gibt für die Hypo Real Estate keine realistische Alternative zur Beteiligung des Bundes." Die Bank sei von der Krise voll erwischt worden und alleine nicht überlebensfähig. "Ohne den Bund hätten wir bereits Insolvenz beantragen müssen."

Wieandt will die HRE zu einer Spezialbank für Immobilien- und Staatsfinanzierung schrumpfen. Er rechnet aber damit, dass die Bank, die bereits Garantien und Bürgschaften in Höhe von gut 100 Milliarden Euro erhalten hat, noch nicht über den Berg ist und weitere Hilfen brauchen wird.

Die Kleinaktionäre des ums Überleben kämpfenden Immobilienfinanzierers nutzten das Treffen für eine Generalabrechnung mit dem früheren Management und den Verstaatlichungsplänen der Bundesregierung. "Wir sind am Anfang des Endes dieser Gesellschaft", sagte Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. "Die Aktionäre begleiten dieses Schauspiel mit einem Gefühl der Resignation und der Wut." Der alte Vorstand unter Georg Funke habe die Bank fahrlässig gegen die Wand gefahren. "Zocken mit eigenem Geld mag erlaubt sein, aber nicht mit dem Vermögen der Aktionäre."

Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger sprach von der "schwärzesten Stunde des deutschen Kapitalmarktrechts". US-Großaktionär J. C. Flowers war nicht persönlich anwesend. Er ist Hauptkritiker der vollständigen Verstaatlichung und bislang nicht bereit, seine Aktien zu verkaufen. Die von Flowers angeführten Investoren kontrollieren noch rund 14 Prozent der HRE-Anteile.

Der Chef des Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung, Hannes Rehm, kündigte an, die HRE so rasch wie möglich wieder zu privatisieren. Dies könne in zwei bis drei Jahren der Fall sein, wenn die Bank sich wieder komplett über den Kapitalmarkt refinanzieren könne. Sie brauche aber auch ein funktionierendes Geschäftsmodell sowie Erfolg im Neugeschäft.

Hohe Wellen schlug auch das Verbot von Bild- und Tonaufnahmen bei der außerordentlichen Hauptversammlung. "Es kann nicht sein, dass die Bank im Hinterzimmer verstaatlicht wird", sagte ein Aktionär unter dem Beifall der Anleger. Kamerateams und Radioreporter durften nur vor Beginn Aufnahmen machen und mussten den Raum dann verlassen.

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3 Kommentare

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  • MH
    Manfred Hainmüller

    Wenn man davon ausgeht, dass Demokratie mehr ist, als alle paar Jahre ein Kreuzchen auf einen Zettel zu malen, dann sind Beteiligungen möglichst vieler Menschen an Unternehmen eine wichtige ökonomisch-substanzielle Basis von demokratischer Kultur. So hatte Willy Brandt 1969 für mehr Demokratie, insbesondere auch in der Wirtschaft, plädiert.

     

    Aktiengesellschaften (1 Aktie = 1 Stimme) sind zwar weniger demokratisch strukturiert als Genossenschaften wie die taz oder Raiffeisenbanken (1 Genosse = 1 Stimme, unabhängig von der Höhe der Anteile), aber immer noch demokratischer als obrigkeitlich strukturierte Familienbetriebe oder von sog. Heuschrecken gefressene Unternehmen.

     

    Die HRE-Aktionäre haben vor 5 Jahren mit ihrer Investition geholfen, die eklatante Misswirtschaft der bayerischen Hypovereinsbank auszubügeln (die HRE fungierte teilweise als Bad Bank der HVB).

     

    Hauptursache des jetzigen Liquiditätsengpasses der HRE ist nun nicht diese selbst, sondern die vor 2 Jahren übernommene Depfa, die Deutsche Pfandbriefbank, die ihren Sitz zwecks Steuerflucht nach Irland verlagert hatte. Diese Depfa hat langfristig ausgereichte Darlehen mit kurzfristigen Einlagen gegenfinanziert - ein grober Kunstfehler banklichen Wirtschaftens, das üblicherweise auf die Kongruenz der Laufzeiten von Einlagen- und Darlehensgeschäft achtet. Diesen schweren Kunstfehler hat weder die HRE bemerkt, als sie die Depfa übernahm - ohne die Aktionäre zu fragen - noch das Bundesaufsichtsamt für das Finanzwesen. Der Kunstfehler wurde erst offenbar, als wegen der sog. Finanzkrise die Depfa keine ausreichenden neuen kurzfristigen Einlagen mehr auftreiben konnte, und passende langfriste schon gar nicht. Eine Garantie (nicht Zahlung!!!) der Bundesregierung hat den privaten Kapitalmarkt wieder Vertrauen in die HRE fassen lassen, die nun wieder auf gutem Wege ist und vom Bund eigentlich gar kein Geld braucht.

     

    Die HRE-Aktionäre wären trotz des erneuten Versagens eines Bankmanagement ohne weiteres in der Lage gewesen, die rettende Kapitalerhöhung selber zu stemmen, aber das durfte nicht sein. Das nunmehr ausgewechselte Management hat auf der außerordentlichen Hauptversammlung vom 02.06.09 deutlich genug rübergebracht, dass es von der Bundesregierung dazu erpresst wird, die Aktionäre sowohl zu entmachten wie auch zu enteignen.

     

    Hier geht es also gar nicht um Verstaatlichung, sondern schlicht und einfach um Zerstörung von Demokratie in der Wirtschaft und um Enteignung trotz verfassungsmäßiger Garantie von Eigentum.

     

    Man kann auch sagen: Vor Jahren wurden Angehörige sog. radikaler Parteien vom Beamtendienst ausgeschlossen (Lokführer, Postboten, Lehrer) ausgeschlossen, noch immer werden Ex-DDR-Bürger wegen (oft aufgezwungener) Stasi-Mitarbeit amtlich und politisch schikaniert - und jetzt sitzen die allerschlimmsten Feinde des Grundgesetzes in Gestalt von Peer Steinbrück mitten in der Regierung.

     

    Man kann nur hoffen, dass nicht eines Tages die taz mit ähnlichen pseudolegalen Tricks entmachtet und verstaatlicht wird, wie es jetzt mit der HRE geschieht.

     

    Darum: Wehret den (bösen) Anfängen!

  • H
    Heidelinde

    @ Keks:

     

    Als Teilnehmerin der HRE-Hauptversammlung habe ich dieses erfahren:

     

    Der Bundesfinanzminister (bzw. die BRD) hat nicht 100 Milliarden an die HRE überwiesen, sondern nur eine Bürgschaft in dieser Höhe bereitgestellt. Davon wurden nur ein paar Millionen abgerufen, d.h. weniger als 1 Prozent.

    Die Geschäftstätigkeit der HRE ist im Quartal 1/09 sehr erfolgreich verlaufen.

     

    Dies mussten die beiden in der taz abgebildeten Herren nach mehrfacher Nachfrage in der Diskussion schließlich zugeben, nämlich dass der Steuerzahler bislang fast gar nichts für die HRE zahlen musste.

     

    Es scheint der BRD um eine dem Geiste nach verfassungsfeindliche Enteignung zu gehen. Dies, nachdem jahrelang die Bürger zu mehr Eigenverantwortung in der Altersvorsorge aufgerufen worden sind.

     

    Bei Begriffen wie "Hypotheken", "Real" i.S.v. "Immobilien, "Pfandbriefe", "Kommunalanleihen", "Staatsanleihen" (= der Name und die Geschäftsfelder der HRE) denkt man Sicherheit, nicht an windige Betrügereien, wie sie die HRE teilweise betrieben hat, u.z. unter Aufsicht des BAFIN, der Bundesaufsichtsbehörde für Finanzunternehmen.

     

    Es stellt sich für den "Kleinaktionär", der nun ein paar Tausend Euro eigener Altersversorgung (die kaum für 3 Monate Altersheim reichen würden) verliert, alles wie ein Komplott der Regierung dar: magelhafte Aufsicht, Verbreitung sachlich falscher Infos über die "Rettung", mehrfaches öffentliches Schlechtreden der HRE durch Steinbrück und Zypries, ein auf diesen Einzelfall bezogenes, zeitlich befristetes Schnellschussgesetz, einzelne an sich legale Vorgänge, die in der Summe verfassungsfeindlich sind (verbotene Enteignung als Ziel).

     

    Leider hat die taz nur unkritisch einen Agenturbericht abgedruckt; Der Spiegel hat zwei realistischere Berichte der HRE-Hauptversammlung gebracht:

    http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,628073,00.html und

    http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,628102,00.html

  • K
    Keks

    Ganz tolle Knaben, diese Kleinaktionäre, die ihre Anteile nicht rausrücken wollen und jetzt den Empörten spielen.

    Lasen sich vom Bund mit Abermilliarden retten und wollen dann schön weiterverdienen, ohne für die Kosten aufzukommen.

    Hätten wir eine anständige Aktionärshaftung, dann dürften sie die Schulden, die ihr Saftladen (und der von ihnen bestellte Vorstand) gemacht hat, bei einer Pleite auch selber abtragen.