HOCHWASSERSCHUTZ: DER BUND MUSS MEHR KOMPETENZEN ERHALTEN : Mehr Platz für das Wasser
Dieses Foto wird sich noch häufiger drucken lassen: Politiker stehen in Gummistiefeln auf der Deichkrone, um das Hochwasser vor ihren Zehenspitzen zu bestaunen. Gestern reiste Bundeskanzlerin Angela Merkel an die Elbe. Es wird nicht der letzte Regierungseinsatz an einer Wasserfront gewesen sein, so viel lässt sich schon jetzt prognostizieren. Neue Fluten werden folgen, die sich medienwirksam in Szene setzen lassen. Zwar wird immer noch jedes Hochwasser optimistisch „Jahrhundertflut“ genannt, als ob es ein seltenes Ereignis wäre – doch tatsächlich erleben wir die dritte Jahrhundertflut in neun Jahren im Osten Deutschlands: 1997 erreichte die Oder neue Rekordstände, 2002 und jetzt ist es die Elbe.
Neu sind allenfalls die Orte, die es besonders trifft. So hatte niemand damit gerechnet, dass die Elbe ausgerechnet an ihrem Unterlauf gefährlich würde. 2002 waren noch vor allem Orte in Sachsen geflutet worden. Aber seither ist kräftig in den Hochwasserschutz investiert worden – nicht umsonst, wie sich nun feststellen lässt. Diesmal hielten die Deiche am Oberlauf, weswegen das Wasser nun ungebremst in Richtung Unterelbe schießt und Hitzacker und Lauenburg überflutet.
Daraus sind zwei Lehren zu ziehen. Erstens: Der Bund muss mehr Kompetenzen beim Hochwasserschutz erhalten, den er längst weitgehend finanziert. Die Elbe fließt durch sieben Bundesländer. Bisher hat jede Region ihr eigenes Schutzkonzept – und müht sich nach Kräften, den Schaden bei sich selbst klein zu halten, auch wenn dies zu Lasten der Nachbarn geht.
Zweite Lehre: Es reicht nicht, auf technischen Hochwasserschutz wie Deiche und Flutmauern zu setzen. Wenn das Wasser nicht mehr abfließen kann, steigt der Druck – und zwar nicht nur an der Unterelbe. Auch weiter oben ist die Gefahr noch nicht gebannt, dass die Schutzwälle aufweichen könnten. An einigen Abschnitten wie im brandenburgischen Lenzen werden sie schon weiter ins Binnenland verschoben. Das muss zum flächendeckenden Programm werden, denn Auwälder sind der beste Schutz. ULRIKE HERRMANN