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■ H.G. HolleinS. an M.

Die Frau, mit der ich lebe, zeiht mich in letzter Zeit des öfteren mangelnder Romantik. Ich habe mich also umgetan und bin bei einem Großmeister der elaborierten Schwärmerei in die Lehre gegangen. Da wäre zunächst einmal die ansprechende Eröffnung: „Hohe Herrin, süßes Lieb“ ist vermutlich am geeignetsten, der Angebeteten geneigte Aufmerksamkeit zu sichern. „Mein herziges Weibchen“ oder „eitles Würmchen“ sollten allerdings wohl eher sparsam eingesetzt werden. Immer gut macht sich dagegen ein Schwelgen in Momenten beseligter Zweisamkeit. Etwa im „Wandsbeker Gehölz, weil wir dort allein waren wie Adam und Eva“ und „Du so reizend verwegen warst“. Und welche Gefährtin könnte dem widerstehen, der sich ihr so anträgt: „Wenn Du etwas bedarfst oder besorgt wissen willst, beglücke keinen anderen als mich mit deinen Aufträgen.“ Zum Beweise, wie ernst es einem ist, darf natürlich auch ein Schuß Eifersucht nicht fehlen. Es findet sich gewißlich immer einer, „der ältere Ansprüche auf Dich erhob, die Du abzuweisen nicht ein Wort und nicht eine Miene gefunden hast“. Es ist jedoch geraten, diese rhetorische Pose nicht zu überziehen. „Warte nur, wenn ich komme, wirst Du Dich wieder gewöhnen, einen Herren zu haben“, könnte die Gefährtin in eine Haltung unerwünscht nachhaltiger Verbocktheit drängen und „in der höchsten Potenz“ zur „beständigen Unterdrückung natürlicher Triebe“ führen. Wovon die Gefährtin sicher auch nicht gern hört, sind Begegnungen mit anderen Angehörigen ihres Geschlechts. An sich harmlose Äußerungen wie „gestern waren überdies noch einige Mädchen da, und ich habe mich, um keinen Verdacht zu erregen, gesellig gezeigt“ sind erfahrungsgemäß psychologisch unklug. Auch den größten Geistern unterlaufen eben bisweilen Fehlleistungen. Sogar einem nimmermüden Liebesbriefschreiber wie Sigmund Freud an seine Wandsbeker Verlobte Martha Bernays.

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