■ H.G. Hollein: Angesagt
Die Frau, mit der ich lebe, hat eine Kollegin, die in mir endlich den Mann à la mode sieht, für den ich mich im Stillen schon immer gehalten habe. Beschied mir B. doch unlängst anerkennend, meine neue Hose sei „aber hip“. Das wohlgefällige Beinkleid der Marke „Blend of America“ zu 74,95 DM schien mir bis dahin alles andere als label-verdächtig und in seinem farblosen Schiefergrau auch nicht eben als Blickfang angelegt. Ich gebe ja zu, dass es – bedingt durch eine momentane Abnehmphase seines Trägers – ein wenig tief auf den Hüften sitzt und sich über den Schuhen aufstaut. Nimmt man noch die aufgesetzten und in der Regel ausgebeulten Oberschenkeltaschen dazu, könnte man sogar den Eindruck einer gewollten Formlosigkeit gewinnen. Das ist in den Augen der heutigen Jeunesse also hip. Nun denn. Die Gefährtin hat mich mit diesem Prädikat bisher nie bedacht. Allenfalls durfte ich hören, dass ich in der Hose aussähe wie ein Klempner. Vielleicht ist die Gefährtin ja beleidigt, weil ich es gewagt habe, mich ohne ihre kritische Begleitung neu zu behosen. Vielleicht ist die Gefährtin aber auch einfach nur neidisch, weil selbst nicht hip. Das hätte natürlich Konsequenzen. Mit so einem „angesagten Teil“ sei ich für jeden event top-gestylt, hatte B. schließlich auch noch gesagt. Das hört mann gern. Aber kann ich es mir dann noch leisten, in Begleitung einer nicht-hippen Gefährtin gesehen zu werden? Gott sei Dank bin ich nicht eitel. Und ich stehe zu meiner Wahl. Ein Mann kann nicht jedes Mal die Gefährtin wechseln, wenn sich die Hosenmode ändert. Heute hip, morgen hop – wo kämen wir da hin? Überdies kann ich bei meinen Nachsinnen über B.s Kompliment eine gewisse Skepsis nicht unterdrücken. B. ist Fotografin und hat einen ausgeprägten Blick fürs Schräge.
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