■ H.G. Hollein: Angezeigt
Dem Dasein, dem ich fröne, ermangelt es gelegentlich an Theatralik. Aber es gibt ja den Senat. Der tritt nämlich regelmässig auf. Zuletzt am 3. November mit der „Anordnung zur Änderung der Anordnung zur Durchführung des Bürgerlichen Gesetzbuches und des Hamburgischen Ausfüh-rungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch“. Die Ausführung, wie sie im „Amtlichen Anzeiger“ dokumentiert ist, hatte es in sich. Gleich im ersten Absatz wurde in einem furiosen Auftakt „Abschnitt IV“ der alten Anordnung zur Änderung und so weiter „aufgehoben“, um dann bruchlos in Absatz 2 überzugleiten, der da lautete: „Die bisherigen Abschnitte V bis X werden Abschnitte IV bis IX“. Da manifestierte sich ein politischer Gestaltungswille, der in seiner alles durchdringenden Konsequenz eine geradezu ästhetische Qualität erreichte. Schade nur, dass solche jurisdiktionalen Höhenflüge an diesem Tag die Ausnahme blieben. Denn allzu krude und banal fiel danach Absatz 2 der Anordnung zur Änderung und so weiter über „die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit“ aus: „Der Punkt am Satzende wird durch ein Komma ersetzt.“ Hier musste der Rezensent ein seltsam-zögerliches Zurückscheuen vor den Weiterungen des Themas konstatieren. Etwas leiser, im Grundton lyrisch und daher durchaus gelungen, waren hingegen wieder die nachfolgenden Eintragungen ins Handelsregister. „Die Gesellschaft ist als übertragender Rechtsträger gemäss Verschmelzungsvertrag verschmolzen worden.“ Das war von unaufdringlicher Prägnanz. Schön kontrastierte auch der Hinweis „Ist nur ein Geschäftsführer vorhanden, vertritt er die Gesellschaft allein“ mit der knappen Notiz „Jürgen U. ist infolge Ablebens nicht mehr Geschäftsführer“. Mit der „12. Verordnung zur Änderung über Feldes- und Förderabgabe auf Grund des Bundesberggesetzes“ als Zugabe klang die insgesamt als gelungen zu vermerkende Aufführung für diesmal aus.
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