■ H.G. Hollein: Frührentnerin
Die Frau, mit der ich lebe, liebäugelt mit dem Vorruhestand. Mir passt das gar nicht. Die Sache ist die: Die Gefährtin schafft bei der taz, und der geht's ja nicht so gut. Aber, sagt sich die Gefährtin, wenn der Pressegott sein schwächstes Kind so sehr liebt, dass er es für immer in seinem großen Pressehimmel bei sich haben will, dann, sagt sich immer noch die Gefährtin, ist auch Schluss mit der Plackerei. Das kann ich mir lebhaft vorstellen. Endlich hat sie Zeit, einen Trainingsanzug zu kaufen und sich ins soziale Umfeld unserer Straße zu stürzen. Naja, vielleicht nicht gleich stürzen. Erstmal ausschlafen. Dann sich versonnen an Bauch und Hintern kratzend über die Strese zur Tanke tapern. Da wird sich anfangs noch die Mopo unter den Arm geklemmt. Aber eben nur anfangs. Später geht's mit der Bild rüber zum Feinkostladen. Man kennt sich. Mettbrötchen, Bulette und 'ne Büchse Holsten? Schon in Arbeit. So gewappnet erklimmt die Gefährtin die drei Stockwerke zurück ins Bett. Da wartet die inzwischen auch schon ziemlich strubbelige Katze, die mich duldet. Nach drei Stunden mit Vera, Birte und Co hat sich dann genug Gesprächsstoff angesammelt, um sich auf das eine oder andere Gedeck ins Bill-Eck zu begeben. Da kann die Gefährtin mittlerweile anschreiben lassen. „Die hat“, wissen Irma, Gert und Heinz, „einen, der verdient gut.“ Der findet, wenn er abends aus seinem Büro kommt, Katze und Gefährtin schnarchend auf dem Bett vor, umgeben von den fettigen Resten eines halben Hähnchen und seiner appetitlichen Verpackung. Angesichts dieser Aussichten bleibt mir nur der flammende Appell: „Abonniert, ihr guten Leute, abonniert!“ Andererseits: So groß wäre der Unterschied zu heute nun auch wieder nicht.
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