HERTHA, SCHALKE, HUND : Paul ist tot
Der Kritiker, der auch Schriftsteller ist, sonst würde ich mich nie am Abend mit einem Kritiker verabreden, wischt meine Entschuldigung der Verspätung beiseite und sagt: „Alles okay!“ Wenig später kommt J., der gleich um die Ecke wohnt, mit seinem Hund hinzu.
Irgendwann sagt J.: „Ich habe heute Geburtstag!“ Wir umarmen uns. Ich sage, ich hätte gestern Geburtstag gehabt. „Nein“, sagt er. Ich sage: „Doch!“ Wir umarmen uns noch mal. Fußball wird gezeigt. Ronny, einer der Barmänner, erklärt uns, dass es eine Feindlichkeit zwischen Hertha und Schalke gebe, aus den Siebzigern, als dies und das passierte, aber es sei völlig klar, dass jeder Schalker bei ihnen willkommen sei. Wir fragen nach. „Männer“, sagt er, „Blau und Weiß, klar, das tragen beide Mannschaften. Ich habe früher in einer Hertha-Kneipe gearbeitet. Da kam ein Schalker rein, schon ziemlich strack. Mein Chef, zwei Meter, ein Tier, der hätte den getötet. Ich also stelle mich vor den Schalker, mein Chef hinter mir, und sage: ‚Du hast drei Optionen: Du verpisst dich, ich drück dir eine oder der hinter mir.‘ Der Schalker sagt: ‚Eins!‘ und ist raus.“
„Was ist mit eurem Kneipenhund?“, fragt der Kritiker. „Der ist tot“, sagt Ronny. „Und Paul?“ „Paul ist auch tot.“ Dann legt Ronny eine CD ein. Ohrenbetäubend singen die Schlümpfe „Alles Gute zum Geburtstag“. Ronny schubst mit seinem Kollegen alle Lampen an, die über dem Tresen hängen. Selbst gemachtes Discolicht. Die Kneipe singt mit. Ronny wedelt mit den Armen und zeigt auf das Geburtstagskind.
Alle schauen zu J., er sieht ein wenig gequält aus. Der Kritiker, der auch Schriftsteller ist, sagt zu mir: „Wir sind oft hier. Der ist gut, der Laden!“ Ich habe es längst kapiert. Als das Lied zu Ende ist, wechselt Ronny die CD gegen eine andere, kommt zu uns und sagt: „Wollt ihr noch Bier, ihr verdammten Schmierfinken?“
BJÖRN KUHLIGK