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Archiv-Artikel

HERMANN-JOSEF TENHAGEN HAUSHALTSGELD Den Banken ist genug geholfen

DIE VERBRAUCHER ZAHLEN FÜR DIE BANKEN – WO REGULIERUNG BISLANG VÖLLIG VERSAGT HAT, NOCH VIEL MEHR

Die Finanzkrise geht auf Kosten der Verbraucher. Aus Deutschland kennen wir das von der Pleite der Lehman Brothers Bank, den Beinahepleiten der IKB, der Hypo Real Estate und einiger Landesbanken und vor allem von Jobverlusten in der Autobranche oder im Maschinenbau.

In anderen Ländern bezahlen die Verbraucher mehr und viel direkter für die Krise – und halten so ihre Banken gesund. Zum Beispiel in Brasilien: Dort hat Präsident Luis Ignacio Lula da Silva gerade den Notenbankchef Antonia Lima da Neto gefeuert, weil dieser es nicht geschafft hat, dass die Banken an Kunden in dem Riesenland preiswerte Kredite vergeben. Der Unterschied zwischen den Zinsen, die die Banken bei der Geldbeschaffung zahlen, und dem, was sie ihren Kunden abnehmen, beträgt im Schnitt rund 30 Prozent. Das hört sich nicht nur heftig an, es ist Wucher. Das soll der neue Chef Aldemir Bendini ändern, der am kommenden Donnerstag in sein Amt eingeführt wird.

Ein besonderes Ärgernis sind den Brasilianern große internationale Banken. Das Land hat seit Jahren eine vergleichsweise niedrige Inflation – um 6 Prozent. Die Zinsen der Banken jedoch sprechen eine ganz andere Sprache: Verlangt die Citibank auf dem heimischen US-Krisenmarkt nur 7,28 Prozent Zinsen, berechnet sie in Brasilien 60,84 Prozent. Die britische HSBC verlangt zu Hause 6,6, in Brasilien aber 63,42 Prozent und Banco Santander in Spanien 10,81 Prozent, in Brasilien aber 55,74, rechnet ein Kommentator der Zeitung Jornal do Brasil vor.

Noch hält sich der öffentliche Aufschrei in Grenzen. Die Brasilianer sind daran gewöhnt, abgezockt zu werden, etwa beim Ratenkauf. Der Fernseher wird in Rio mit Ratenzinsen von 4 bis 5 Prozent angeboten – pro Monat. Macht etwa 70 Prozent im Jahr.

Aber das ist noch nicht einmal die Spitze des Zuckerhuts. Für das Soll bei ihren Kreditkarten zahlen die Brasilianer zwischen 140 und bei einigen Finanzkonzernen 500 Prozent Zinsen. Sie nutzen vor allem die in Deutschland verpönten Revolving Credit Cards, also Kreditkartenkonten, die wie ein Girokonto im Dispo geführt werden und bei denen die Zahlungen nicht zum nächsten Monatsersten vom Gehaltskonto abgebucht werden.

Auch hier regt sich aber jetzt Widerstand. Proteste, die 2001 gegründete brasilianische Stiftung Warentest, hat sich den Kampf gegen den Kreditkartenwucher auf die Fahne geschrieben. Für die 170.000 Mitglieder der Verbraucherschutzorganisation vergleicht Proteste nach europäischem Vorbild die Zinsen der Banken und der Kreditkartenunternehmen. Um die drei oben genannten Bankhäuser noch mal anzuführen: Bei HSBC beliefen sich die Kosten der freien Kreditkarte beim letzten Proteste-Vergleich im Minimum auf 149 Prozent, bei der Citibank auf 151 Prozent, bei Santander sogar auf 210 Prozent. Passt der Kunde nicht auf, steigt die Gesamtbelastung bei Citibank und HSBC auf über 300 Prozent im Jahr.

Zurück in Deutschland, weiß man nach solchen Geschichten besser, was wir hierzulande an fast 50 Jahren Verbraucherschutz haben. Und man hofft für die brasilianischen Freunde, dass der unkontrollierte Markt endlich reguliert und den Verbrauchern geholfen wird. Die Banken haben wirklich genug Hilfe erhalten.

■ Der Autor ist Chefredakteur von Finanztest und taz-Aufsichtsrat. Foto: Karsten Thielker