HERMANN-JOSEF TENHAGEN HAUSHALTSGELD : Armani für 2,50 Euro
Sie haben Stil, aber kaum Einkommen? Fliegen Sie nach Istanbul. Zum Beispiel ins Unterhosenparadies
Modebewusst und kein Geld? Fliegen Sie nach Istanbul. Dort können Sie Unterhosen mit Armani- oder Hugo-Boss-Label für 2,50 Euro erwerben. Kürzlich selbst ausprobiert bei einer Reise an den Bosporus. Arbeitsstress, schnelles Packen, unterschätzte Temperaturunterschiede – jedenfalls stand ich im Hotelzimmer und stellte fest: ein Mantel zu viel dabei, das Häufchen Unterhosen zu Hause vergessen.
Um das Missgeschick wollte ich mich erst am kommenden Abend kümmern. Doch dann stand er morgens da, der Händler, auf dem Weg zum Großen Basar. Wegen meiner Zweifel an der passenden Größe nahm er mich gleich mit ins Tiefgeschoss des Kaufhauses und zeigte mir das Unterhosenparadies: mehrere Quadratmeter Wand mit Boxershortstapeln von Armani und Boss. Sein Angebot: vier für zehn (Euro).
Die Vermutung liegt nahe, dass es sich nicht um Originalware handelt – auch wenn er nicht verschwiegen neben mir herlief und „Rolex“ flüsterte. Ich kaufte einen Gebrauchsgegenstand, der – während ich dies in den Computer hacke – gewaschen und dann getrocknet wird. Was mit einer Rolex unmöglich wäre. Die Wäschesammlung in der Tasche, marschierte ich über den Großen Basar Richtung Fährhafen. Einmal angefixt, versuchte ich, meine Kenntnisse über Basarökonomie am weltweit besten Platz dafür auszubauen.
450 Jahre existiert der Große Basar, über 4.000 Händler sollen dort ihre Waren feilbieten. Der Reiseführer empfiehlt dem kleinen Basarökonomen, seinen Kaufwunsch durch kurzes Interesse zu signalisieren, die Hälfte des angegebenen Preises anzubieten und dann weiterzugehen. Hat der Händler Hoffnung auf einen auskömmlichen Preis, beginnt das fröhliche Feilschen. Die Empfehlung hat beim Uhrenarmband und Portemonnaie leidlich funktioniert (8 statt 15 türkische Lira, 15 statt 25).
Mich beschleicht der Verdacht, ich hätte die Unterhosen auch für 2 Euro bekommen. Auch beim Hotelpreis ließ sich handeln, 15 Prozent. Verstimmt reagierten die jungen Leute am Counter erst, als ich beim Bezahlen auch noch einen Barzahlerrabatt rausholen wollte.
Allerdings brauche ich für meinen Seelenfrieden beim Handeln einen Anhaltspunkt für den fairen Preis. Wie beim Taxifahrer auf dem Rückweg zum Flughafen. Er ließ die Uhr aus, die Nummer kannte ich schon. Als er vor der Abflughalle 50 Lira verlangte für eine Strecke, die auf dem Hinweg mit Uhr nur 36 Lira gekostet hatte, hab ich ernster als je zuvor gehandelt. Der fast schon deutsche Fahrer vom Hinweg sollte für seine Fairness keinen Nachteil erleiden.
Und sonst? Der Trockner ist aus, die Unterhosen haben sich als formbeständig erwiesen. Stellt sich die Frage, was ein fairer Preis für Armani ist? Für meinen Seelenfrieden.
■ Der Autor ist Chefredakteur von Finanztest Foto: Karsten Thielker