HEIKO WERNING ÜBER DIE ENTSCHÄDIGUNG FÜR OPFER DER BP-ÖLKATASTROPHE : Das klassische Dilemma
Fünftausend Dollar. Mit dieser Summe sollen Privatpersonen, die von der „Deepwater Horizon“-Katastrophe betroffen sind, pauschal entschädigt werden – wenn sie im Gegenzug auf sämtliche Ansprüche gegen BP verzichten. Für die Summe dürfte das Durchschnittsopfer kaum die Arztrechnungen bezahlt bekommen, um eine mögliche Folgeerkrankung überhaupt erst mal zu diagnostizieren. Warum sollte das jemand annehmen?
Der von der Obama-Regierung eingesetzte Hilfsfonds-Manager Kenneth Feinberg, der diesen Vorschlag unterbreitete, ist wegen mangelnder Transparenz selbst schwer in die Kritik geraten. Seine Firma wird mit etwas großzügigeren Summen für ihre Mühen entschädigt als die Öl-Opfer: Rund 850.000 Dollar bekommt er von BP monatlich dafür, dass er den Fonds unabhängig von BP verwalten soll. Ansprüche gegenüber demjenigen durchsetzen, der einen bezahlt? Für Feinberg kein Widerspruch, schließlich trage BP ja Schuld an den Schäden. Verursacherprinzip paradox.
Und so schlägt Feinberg ganz unabhängig den Geschädigten nun also vor, sich mit jenen 5.000 Dollar zufriedenzugeben. Mit deutlichen Worten: „Warum prozessieren? Warum die Gerichte überfluten? Sie werden jahrelang prozessieren, Sie werden alle möglichen Kosten haben. Und wer sagt, dass Sie gewinnen?“ Es ist das klassische Dilemma, wenn Privatpersonen ihre Ansprüche gegen Konzerne oder Institutionen durchsetzen müssen: BP kann warten und muss Rechtskosten nicht scheuen, die der Normalbürger kaum aufbringen kann, ganz abgesehen von der psychischen Belastung eines womöglich Jahre dauernden Prozesses und dem Dilemma, dass Hilfsbedürftige das Geld jetzt brauchen, nicht in ein paar Jahren.
Wer die Offerte deshalb, wie viele Opfervertreter, zynisch findet, dem kann man nur beschwichtigend entgegenhalten: Es hätte auch schlimmer kommen können. Immerhin wird die Summe nicht in Benzingutscheinen ausgezahlt.
Wirtschaft + Umwelt SEITE 8