HAMBURGER SZENE VON REBECCA CLARE SANGER : Dreikönigsboot
Am Dreikönigstag, die Tannen wurden schon längst auf die Straßen geworfen, liegt das Boot im Dickicht am Ufer. In der Uferböschung des stinkenden, dunklen Gewässers, um das sich Jogger rundenförmig abarbeiten. Das Boot liegt ruhig in den Uferpflanzen, manche von ihnen sind Binsen, wie Moses Korb, Moses schläft.
Das Boot ist still. Das Boot ist ein Meisterwerk. Es hat einen Rumpf aus Styropor, der fast einen Meter misst. Zwei Grabkerzen als Schornsteine, das weiße Segel ist riesig. Ein Räucherhütchen in einer Toilettenrolle könnte im Fall einer Windflaute als Motor herhalten.
Unter Wasser die Weinflasche als Kiel. Das weiß ich, obwohl ich sie nicht sehen kann, denn ich kenne das Boot. Es ist mir in der Badewanne einer Freundin begegnet, ihr Sohn hatte mir die technischen Details nahe gebracht. Es hatte die gesamte Badewanne ausgefüllt, das Zimmer roch nach Weihnachten, wegen dem Räucherhut, am Samstag würde es in See stechen.
Das war vor vier Wochen. Seitdem wusste der junge Reeder zu berichten, das Boot läge versteckt unter einem bestimmten, geheimen Gebüsch in Planten und Bloomen, weder Vater noch Mutter strebten die dauerhafte Umfunktionierung der Badewanne zum Trockendock an. So der letzte Stand.
Auf dem stolzen Segel prangt nun, stolzer gar, ein verhuschter Piratentotenkopf. Gab es den schon in der Badewanne? Oder hat ein Zweitbesitzer einige Neuerungen unternommen, bevor er das Boot, dass er unter einem Gebüsch fand, im Teich verlor? Nun liegt es jedenfalls da, ruhig, wie im Weihnachtslied, geladen: mit einer schönen, eigenen Geschichte.