HALBFINALE NIEDERLANDE – ARGENTINIEN IN ST. MATTHIAS : Die Offenbarung von Schöneberg
VON CLAUDIUS PRÖSSER
1 [1] Ich, euer Bruder, der wie ihr bedrängt ist von König Fußballs Herrschaft und mit euch bis zum letzten Strafstoß ausharrt, ich war in Schöneberg um dieses Textes willen und des Zeugnisses für den Ballsport. [2] Denn am Tag des zweiten Halbfinales wurde ich vom Geist ergriffen und hörte eine Stimme, laut wie eine Fanfare. [3] Die sprach: Schreib alles, was du siehst, in einhundertundzwanzig Zeilen auf und schicke es der Redaktion. [4] Da wandte ich mich um, weil ich sehen wollte, wer zu mir sprach, aber ich sah keinen, denn die Stimme war im Telefon.
[5] Alsbald ward es dunkel, und ich stand vor St. Matthias auf dem Winterfeldtplatz, und eine Tür war geöffnet. [6] Und ein Schild, das an der Wand hing, sagte: Komm herein, ich werde dir alles zeigen, was geschieht, auf fünfzehn Metern im Quadrat und in HD. [7] Ich trat ein, und sogleich wurde ich vom Geist ergriffen. [8] Ich sah ein Bild an einer Wand: zweiundzwanzig Männer, die kämpften in bunten Gewändern um einen Ball; und um sie herum war eine große Schar aus allen Nationen und Stämmen; niemand konnte sie zählen. [7] Und über ihren Köpfen wölbte sich ein Dach, das sah aus wie eine kostbare Muschel. [8] Vor dem Bild aber saßen welche an langen Tafeln und schwiegen, und in ihren Händen ruhten Gläser gleich Kristall.
[9] Dann sah ich einen an der Wand, der sah unschuldig aus wie ein Lamm und kämpfte gegen einen Drachen, der war wie in Feuer gehüllt. [10] Das Lamm trieb den Ball schneller als ein Pferd, aber es konnte nichts richten gegen seinen Feind. [11] Da bekam einer der Knechte des Lamms einen der Knechte des Drachen auf die Stirn gedrückt, er fiel zu Boden und rührte sich nicht. [12] Und eine Stimme aus dem Himmel sprach von großem Unheil. [13] Die an den Tafeln aber schwiegen.
[14] Und so ging es weiter. [15] Es fielen Pässe und Schüsse, die mit Blut und Schweiß vermischt waren, auf das Land, dass ein Drittel des grünen Grases verbrannte. [16] Und viele der Knechte trugen auf ihren Körpern Zeichen und Namen, die eine Gotteslästerung waren. [17] Dann war das erste „Wehe“ vorüber, doch das zweite „Wehe“ folgte sogleich.
2 [1] Ich sah: Das Lamm hatte überall Augen, aber der Drache war schneller, und keiner konnte des andern Macht brechen. [2] Da hörte ich eine Stimme vom Himmel her rufen: [3] Es wird keine Zeit mehr bleiben, denn einhundertundzwanzig Tage sind gezählt, und für Gott ist ein Tag wie eine Minute. [4] Und so geschah es.
[5] Da versammelten sich das Lamm und der Drache mit ihren Knechten vor dem Haus des Königs, darin zwei Tiere standen, die hatten Arme lang wie Schlangen und wendig wie Hasen. [6] Aber das Tier, das die Zahl des Lammes auf dem Rücken trug, breitete die Arme aus und parierte. [7] Da verfielen die Heerscharen des Drachen in große Klage, und die Jünger des Lammes sangen Lobpreis und Ehren. [8] Und die an den Tafeln standen auf und gingen nach Hause.
[9] Zu mir sprach die Stimme: Schreib auf, was du gesehen hast; selig und heilig, wer an dem Bericht teilhat. [10] Ich aber holte ein Glas wie Kristall und trank davon, und es war in meinem Munde süß und bitter zugleich.
Heimmannschaft: Mitglieder der Kirchengemeinde
Gästeblock: Alle, denen die Getränke in den umliegenden Kneipen zu teuer sind – vor allem alleinstehende Männer über 50
Stadionimbiss: z. B. Radler (0,4 Liter) für 2 Euro, Brezeln
Ersatzbank: Gelegenheiten finden sich in der Goltzstraße
Rote Karte: Ausgelassenheit. Hier schlägt keiner über die Stränge. Aber das Bild ist gut.
■ Kath. Kirchengemeinde St. Matthias, Goltzstraße 29, Schöneberg