: Gysi – IM „Notar“ oder Dreyfus?
■ Bärbel Bohley präsentiert neue Indizien, Stefan Heym historische Vergleiche
Berlin/Bonn (taz/dpa) – Neue Indizien für die Identität von Gregor Gysi mit dem IM „Notar“ haben gestern vier ehemalige DDR-BürgerrechtlerInnen in Berlin vorgelegt. In Bonn reagierte der Angegriffene umgehend. Gysi wies den Verdacht neuerlich zurück und versprach, auch weiterhin gegen seine ehemaligen MandantInnen gerichtlich vorzugehen. Es sekundierte: der Schriftsteller und PDS-Abgeordnete Stefan Heym. Die Anschuldigungen gegen Gysi, so Heym, hätten „antisemitische Tendenzen“. Seine Gegner wollten Gysi kaputtmachen und ihn, ähnlich wie einst den französischen Offizier Dreyfus, zwingen, „sich selbst die Epauletten herunterzureißen“.
Davon war auf der Pressekonferenz von Katja Havemann, Gerd Poppe, Bärbel Bohley und Freya Klier nicht die Rede. Statt dessen unterfütterten die ehemaligen DDR-Oppositionellen den Verdacht, Gysi habe als Inoffizieller Mitarbeiter „Notar“ seine früheren MandantInnen an die Staatssicherheit verraten. Ihren Verdacht, Gysi sei identisch mit IM „Notar“, untermauerten die Bürgerrechtler gestern mit zwei Dokumenten aus den Beständen der Gauck-Behörde. Dabei handelt es sich um den Eröffnungsbeschluß des MfS zur Anlage des IM-Vorlaufs „Notar“, auf dem sich neben dem Klarnamen „Gregor Gysi“ auch die Registriernummer XV/5647/80 findet. Dieselbe Nummer taucht jetzt auf der jüngst entdeckten „Operativgeldabrechnung“ von Stasi-Major Günter Lohr aus dem Jahr 85 auf. Verwendungszweck: „Notar“. Zwar, so die Bürgerrechtler, sei damit nicht bewiesen, daß Gysi das Geld erhalten habe; doch aus der Übereinstimmung der Registriernummern gehe hervor, daß das Geld für Gysi bestimmt gewesen sei.
Wie die detaillierten Berichte über seine Mandantengespäche an die Staatssicherheit gelangt seien könnten, dafür hat auch Gregor Gysi bislang keine schlüssige Erklärung. Bärbel Bohleys Behauptung, Gysi sei ein Stasi-Spitzel, wurde ihr kürzlich gerichtlich untersagt. Bohley gestern: „Ich bin nach wie vor der Überzeugung, daß Gysi ein Stasi-Spitzel war.“ eis Seite 5
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen