: „Gut Holz“ für DDR-Fernseh-Folklore
■ Adlershofer Unterhaltungs-Schnitzern und -Flechtern zugeschaut / „Thüringer Bauernmarkt“ und „Krug“
Hölzern kam er daher, der „Thüringer Bauernmarkt“ am Sonnabend um 16.00 Uhr bei DDR 1. Wenn auch die Bezeichnung „Thüringer“ neu war und beibehalten werden soll - die immerhin 90. (!) Folge der nicht klein zu hackenden Serie entsprach der „guten Tradition“ ihrer Vorgänger. Mit - wie könnte es auch anders sein - mitklatschendem Publikum begann die Sendung „Mit Tschingbum und mit Trara“ im Lötlampenholz -Ambiente des Kulturhauses Gera. Auch der zweite Titel mit der Zeile „Wenn wir nur üben, werden wir's schon kriegen“ ließ nichts Gutes ahnen - wann, so die bange Frage, etwa bei der 180. Folge?
Dann gab es sogar noch eins drauf: „Wenn wir so weitermachen, werden wir hundert Jahre alt“. Falls das die Akteure und nicht die Sendung betrifft, nun, dann nichts dagegen.Um das heitere Leben auf dem Dorfe zu illustrieren, muß schon mal durchs Studio marschiert werden, auch wenn das im Zeitlupentempo geschieht und den Playback-Unerfahrenen einige Mühe macht.
Nun aber zum glücklicherweise kurzen Interview am Interpretenstammtisch - mit hölzernem Charme bewerkstelligt. Schon die originelle Frage, wer denn nun stolzer auf wen im familiären Gesangsduo, das immer tingelt, während Vater das Auto wäscht, sein müßte - die Tochter auf ihre junge Mutter oder..., ließ wenigstens den Zuschauer erröten. „Der Karl“, was der Betriebsdirektor vom VEB Rhönkunst ist und der auch so - man ist ja schließlich in Zuschauer-Familie - vom Moderator vorgestellt wurde, kann zwar eingestandenermaßen nicht schnitzen, aber dafür die zum Teil künstlich gealterten Holzfiguren, „die dadurch antik wirken“, vermarkten.
Nach dem Abarbeiten des ersten Markenzeichens des DDR -Rezipienten, des rhythmischen Mitklatschens, folgte das bange Warten auf...Sollte etwa nach der Wende? Nein! Schließlich wurde doch geschunkelt. Apropos Wende - eine Anmutung gab es. Der Moderator grüßte auch westlich gelegene Mittelgebirgler ohne Stocken.
Nach kurzer Gehirnwäsche bei „Duck Tales“ im konkurrierenden Programm ging es bei DDR 2 im „Krug zum grünen Kranze“ unerbittlich weiter. Im Holzgebälk von Studio Halle wallte aber nicht Bier- oder „Lindenblatt„-Dunst, sondern der Duft echt sächsischen „Bliemchengaffees“. Statt Moderatorhartholzu hier biegsame Weidenrute. Der Autor kam ins Träumen: Wenn doch vor langen Jahren im Cafe Schroer einmal die Leipziger Kaffeehausmusiker so aufgespielt hätten...Um einen Hauch messestädtischer Frivolität hatten sich Konstanze Mädler von der Kleinen Komödie Leipzig, aber auch Mona Stein - ihres Zeichens nicht nur Schauspielerin und Diseuse, sondern auch die erste amtlich zugelassene Kartenschlägerin der DDR - bemüht. Im übrigen ging es „durchflochtener“ zu: Ein bißchen „Weaner Schme“, Glücksraddrehen (ist ja so beliebt), Ermittlung von Preisausschreibengewinnern (mit Westberliner Gewinner!), Julia Axen wartete mit Wiener Liedern auf.
Ein DDR-Charakteristikum wurde auch noch vorgeführt - die „Schlange“ - dieses Mal vor der Schaubackstube in der Leipziger Ritterstraße. Bei der Auflösung des Preisrätsels machte Moderator Wolfgang Gneuß den entscheidenden Fehler: Man klatschte - von ihm ungläubig kommentiert mit „Oh, es gibt Applaus!“ Das hätte er nicht sagen sollen. Dafür drückte ihm seine Kollegin zum Abschluß die beliebte Stummfilm-Torte ins Gesicht.
O. F. Vincenz
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