■ Gurke des Tages: Paul Ereng
Und die Amis haben doch recht! Knallharte Qualifikationen, kein Pardon für die Gestrauchelten. Ob sichere Medaillenkandidaten wie Zehnkämpfer Dan O'Brien oder Sprint-Smartie Carl Lewis — wer zu spät kommt, kriegt allenfalls noch einen Platz in der NBC- Kommentatorenloge oder wenigstens ein Funktelefon. Wohin die windelweiche Linie führt, das zeigt das kenianische Beispiel. Da mußten hoffnungsvolle junge Mittelstreckler, die sich sportlich qualifiziert hatten, daheim bleiben, weil der Verband kalte Füße bekam, nachdem in den Ausscheidungen gleich vier Olympiasieger und drei Weltmeister gescheitert waren. Drei der Durchgefallenen schmeichelten sich so geschickt beim Verband ein, daß sie schließlich doch noch nach Barcelona durften: 10.000-m-Weltmeister Moses Tanui, der 5.000-m-Weltjahresbeste Paul Bitok und Paul Ereng, der 800-m-Olympiasieger von Seoul.
Der 26jährige Turkana aus dem unzugänglichen Norden Kenias ist nicht sonderlich beliebt im kenianischen Team, bei den Funktionären offensichtlich um so mehr. Während die anderen Cracks von Sportfest zu Sportfest tingelten, blieb Ereng zu Hause — um den Offiziellen in Nairobi Honig ums Maul zu schmieren, wie seine laufenden Landsleute gifteten. Der Intrigenmarathon war von Erfolg gekrönt, doch der Zwischenlauf von Barcelona brachte an den Tag, daß sich Ereng restlos verausgabt hatte und seine körperliche Verfassung seiner Zungenfertigkeit in keiner Weise entsprach. Nach 600 Metern ging ihm die Puste aus, zügig wurde der Mann, der in Seoul dem Marokkaner Said Aouita die böseste Überraschung seines Sportlerlebens bereitet hatte, nach hinten durchgereicht. Als Letzter trottete er schließlich ins Ziel — kraftlos und ausgelaugt wie eine zu heiß gebrühte Gurke. Matti
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