■ Gurke des Tages: Manfred Ewald
Der Fernseher füllt fast das halbe Zimmer, richtig beengt wohnt Manfred Ewald in Berlin Mitte, Leipziger Straße, im 6. Stock eines Miethauses. Hausflur und Aufzug sind verwahrlost, seit der Wende — „Übernehme“ sagt er — ist alles voller Graffiti. „Ist doch nicht mehr schön“, klagt er und hadert mit dem Schicksal.
Verständlich, denn bis zur Wende war der 65jährige einer der Mächtigsten im Staate, und manche sagen, er war noch mächtiger als Mielke, der Stasi-Chef — und gefährlicher. Girlanden aus Gold gaben seinem Wort Gewicht: 572 olympische Medaillen haben Athleten zum Ruhme der DDR erstritten. Ja, Manfred Ewald war Mr. Olympia, 27 Jahre lang der große DDR-Sport-Zampano, hofiert, respektiert von Westpolitikern und machtgeilen Olympiern wie Samaranch und Daume. Und heute?
Heute ist er isoliert und ignoriert, muß der einstige NOK-Chef hilflos zusehen, was sich abspielt im fernen Barcelona — eine Tragödie, wie er meint. Kläglich, einfach peinlich diese Mannschaft! Gerade mal 56 Medaillen bisher. „Die Eröffnung war noch schön“, sagt Ewald, aber was dann kam... (daß alles teurer wird, und er immer ärmer, damit könne er als Rentner gut leben) — wenn bloß nicht sein Werk zerstört würde: die Sportgroßmacht DDR.
Und obwohl er in Sachen Olympia „eigentlich“ nichts mehr sagen möchte, bricht es doch aus ihm heraus. Die Bonner hätten immer noch nicht begriffen, was auf dem Spiel steht. Noch immer, jammert Ewald, wird „unser Sport, der so gut war, zerschlagen, kaputtgemacht, einfach annektiert“. Und das sei einfach tragisch. Und in seinem trauernden Eifer hört sich Ewald, der Altkommunist, genauso pathetisch an wie Schäuble, Kohl und Konsorten bei nationalen Festtagen.
Was Wunder? Es geht, meint das Ex-ZK-Mitglied der SED, „schließlich um die Ehre des Vaterlands“. Uwe Biber
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