: Guatemalas Justiz besinnt sich
KRIMINALITÄT Generalstaatsanwalt muss wegen mutmaßlicher Verbindungen zur Unterwelt gehen
VON TONI KEPPELER
BERLIN taz | Guatemalas Justiz versucht von ihrem Ansehen zu retten, was noch zu retten ist. Am Donnerstagabend hat das Verfassungsgericht die Wahl des neuen Generalstaatsanwalts Cornado Reyes für ungültig erklärt. Er müsse seinen Posten sofort räumen, die Stelle werde neu ausgeschrieben. „Angesichts der Diskreditierung des derzeitigen Generalstaatsanwalts“ sei das Urteil ein Versuch, die neueste Justizkrise des Landes zu lösen, sagte Verfassungsgerichtspräsident Roberto Molina. Auch würden alle Entscheidungen aufgehoben, die Reyes seit Amtsantritt Ende Mai getroffen habe.
Zu Wochenbeginn war Carlos Castresana, der Vorsitzende der Internationalen Kommission gegen Straffreiheit in Guatemala (Cicig), wegen Reyes’ Ernennung zurückgetreten. Castresana warf diesem vor, mit Drogenhändlern sowie mit Anwälten zusammenzuarbeiten, die illegale Adoptionen abwickeln. In seinen ersten Amtswochen habe Reyes Schlüsselfunktionen in der Staatsanwaltschaft mit Vertrauten besetzt und Einheiten, die erfolgreich gegen das organisierte Verbrechen ermittelten, aufgelöst.
Die Cicig hatte Präsident Álvaro Colom um die Entlassung von Reyes gebeten, der lehnte aber ab. Seine Arbeit als Vorsitzender der Cicig sei damit sinnlos geworden, begründete Castresana seinen Rücktritt. Erst danach ordnete Colom Ermittlungen gegen den Generalstaatsanwalt an. Reyes streitet jegliche Verbindung zum organisierten Verbrechen ab.
Die von der UNO nach Guatemala entsandte internationale Juristenkommission Cicig soll die Unterwanderung des Staates durch das organisierte Verbrechen aufdecken. Exmilitärs, Drogen- und Kinderhändler kontrollieren Bürgermeisterämter und Teile des Parlaments und der Justizbehörden. Täglich werden durchschnittlich 16 Menschen ermordet, nur 2 Prozent der Verbrechen werden aufgeklärt.
Der Cicig sind gegen diese Strukturen in zweieinhalb Jahren Arbeit spektakuläre Schläge gelungen. So wurden 2.000 Polizisten wegen Korruption entlassen, der ehemalige Präsident Alfonso Portillo, drei Richter des Obersten Gerichts und zwei nationale Polizeichefs wurden wegen Verbindungen zu Drogenhändlern und Korruption verhaftet. Nach Castresanas Rücktritt war das Verfahren gegen Portillo sofort eingestellt worden.
Das organisierte Verbrechen reagierte auf seine Art auf die Justizkrise. Am Donnerstag früh wurden in Guatemala-Stadt vier abgeschlagene Köpfe gefunden. Einer davon lag direkt vor dem Parlament im Zentrum der Stadt. Ein makabrer Hinweis darauf, wer in Guatemala das Sagen hat.