Grüße aus Manchester: „Wir tranken 66 alles“
■ Paul Gascoigne hat doch recht: Die Geschichte lehrt England das Trinken
Alles, was England heute tut, muß man aus der Geschichte verstehen. Das gilt insbesondere auch für Englands Dehydrierung. Die Dehydrierung ist der Feind des Sportlers, das weiß ein jeder. Dehydrierung kann den Körper bisweilen unangenehm überraschen. Und an den seltsamsten Orten. In Wembley zum Beispiel. Und zwar insbesondere, wenn man zuvor allzuviel Flüssigkeit zugeführt hat.
„Spirit“ ist eine positive Geisteshaltung, „spirits“ sind Spirituosen. War zweiteres zuerst da, nützt alle Euphorie und Moral nichts, da läuft nichts mehr – am wenigsten ein Fußballer.
Nun sind bekanntlich die englischen Kicker zunächst von der Schweiz in den Schatten gestellt worden, dann erst haben Stürmer Sheringham und Kollegen in der Diskothek „Shades“ nächtens die Dehydrierung eingeleitet. Wenn überhaupt.
Aber: Der in dieser Woche abgeschlossene Feldzug der Tabloids und teilweise auch der Qualitätszeitungen gegen öffentliches Trinken, Langeaufbleiben und Nationalspielen hat Erfolg gehabt. Die Moral hat gesiegt, die Prohibition ist da.
Das Problem, das sich nun vor dem heutigen vorentscheidenden Spiel gegen die Schotten (16 Uhr, ZDF) stellt, ist aber: die Geschichte. Die Geschichte geht so: „Wir hielten an unserer Lieblingstrinkoase namens ,The Beachcomber‘, und es wurde ziemlich spät, bis wir in unser Hotel zurückkamen.“
Dies überliefert der Nachwelt der berühmte Jimmy Greaves. Der war, wie jeder weiß, der erfolgreichste englische Toremacher der 60er. Sein noch berühmterer Kapitän Bobby Moore aber, wie auch interessant zu erfahren sein könnte, war „ziemlich hoch plaziert in der Rangliste internationaler Trinker“.
Gelernt hat man dieses und anderes bei Alf Ramsey, dem Teammanager bei der WM 1966. Sir Alf, so berichtet Greaves, „konnte es den Gin Tonics mächtig geben“.
Was aber stand am Ende? England wurde Weltmeister.
Die Biographie des rotnasigen Greaves heißt übrigens „Diese Runde geht auf mich“.
Was lernen wir aus dieser Geschichte?
Trink – und the spirit's flyin' high, wie der Engländer sagt. Mindestens so high wie letzte Woche die Cathay Pacific.
Gascoigne war also doch auf dem richtigen Weg. „Wir tranken 1966 alles weg“, muß folglich das Motto lauten, „und wir tun es 1996 wieder.“ Peter Unfried
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