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■ Grüner Wahlkampf in FrankfurtWo bitte geht's zur Front?

Es war eine merkwürdige Wahlkampfveranstaltung der Bündnisgrünen in Frankfurt am Main. Der Saal des Volksbildungsheims, in dem einst wie in einem Westentaschen-Konvent über Revolte und Revolution, Reformismus und Verrat gestritten wurde, war gut besetzt, aber nicht überfüllt. Das Publikum verhielt sich ruhig und hörte so konzentriert zu, wie es im Bundestag selten geworden ist. In der ersten Reihe saß der Sprecher der Vereinigung der hessischen Unternehmensverbände, hinten ein paar Alt-Autonome, dazwischen das rot-grüne Volk, dem die politische Ratlosigkeit inzwischen auch nicht mehr den Schlaf raubt. Den beiden Matadoren der Partei, Joschka Fischer und Antje Vollmer, saßen zwei Intellektuelle gegenüber, deren Anstrengung sich vor allem darauf konzentrierte, Gründe zu nennen, die von einer Stimmabgabe für die Ökopartei eher abzuraten schienen.

Thomas Schmid, der ökolibertäre Cicerone des Abends, hielt den Grünalternativen im Schnelldurchlauf noch einmal all jene Irrtümer im Verlauf ihrer kurzen Parteigeschichte vor, die nach der jeweils letzten Biegung des Flusses schnell in Vergessenheit geraten. Wenn heute von links die politisch-kulturelle Westbindung – gegen nationale Identitätsstiftungen der Konservativen – zu Recht verteidigt würde, so solle man nicht die pazifistischen Forderungen aus den achtziger Jahren nach einem Nato-Austritt der Bundesrepublik und die einstigen Versuchungen einer deutschen Neutralitätspolitik verdrängen.

Auch die Bekenntnisse zur Marktwirtschaft und zum parlamentarischen Rechtsstaat seien jüngeren Datums, und noch 1989 habe sich eine grüne Realitätsverweigerung offenbart, die die politische Handlungsfähigkeit massiv beschränkt habe.

Claus Leggewie stellte die theoretische Frage der Veranstaltung: „Wo steht rechts – Was ist links?“, vom Kopf auf den Standstreifen: „Ist ein Tempolimit links? Ist die Reduzierung des CO2-Ausstoßes links? Oder ist es die Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtung zum Bau von Kindergärten?“

In einem Wort: Ist links heute einfach nur das Synonym für vernünftig, für den aufgeklärten Common sense? Den aber können Liberale und Rechte genauso für sich in Anspruch nehmen. Bleibt also nur die diffuse Mitte, in der jenseits aller Ideologien bestenfalls darüber gestritten wird, was gerade am vernünftigsten ist?

Joschka Fischer antwortete darauf in seiner Rolle als politische Wahlkampflokomotive mit einer Rhetorik von Zuspitzung und Abgrenzung. Vor dem Hintergrund weltweiter Krisenszenarien markierte er zwei Prioritäten: den sozialökologischen Umbau der Industriegesellschaft und die Abwehr nationaler Sinnstiftungsversuche à la Schäuble. Antje Vollmer präzisierte die entscheidende Herausforderung diesseits wie jenseits der Bundestagswahl: Ist die rot- grüne Klientel inklusive der 68er Generation ff., die längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist, in der Lage, das Projekt „VVV“ – Verkürzen, Verteilen, Verändern der Arbeit – mit allen Konsequenzen, auch denen des Verzichts, in die Tat umzusetzen?

Die Diskussion, ausschließlich auf dem Podium geführt, offenbarte gerade an diesem Punkt das Dilemma des großen Reformprojekts. In der Analyse, bei der die klassischen politischen Kategorien links und rechts nur noch von sekundärer Bedeutung sind (und etwa die PDS nur noch als Heimatverband Ost zur Sprache kommt, den Helmut Kohl geschickt zur eigenen Mehrheitssicherung nutzt), stimmte man trotz einiger Differenzen überein. Bei der Formulierung politischer Strategien für die Praxis fand das Gespräch zwischen Politikern und Intellektuellen seine strukturellen Grenzen – nicht zufällig titulierte Fischer Claus Leggewie als „Professor“, der sich mit der Invektive „Herr Minister“ revanchierte.

Sowohl die Überzeugungskraft der Argumente für eine neue, großangelegte sozialökologische Reformpolitik als auch die demokratische Mehrheit für ihre Realisierung hängt von der politischen Energie, von der Schubkraft und Dynamik derer ab, die die gegenwärtige Bundesregierung ablösen wollen. Davon, das bezeugte auch dieser merkwürdige Abend in Frankfurt, ist noch nicht viel zu sehen.

Doch der Abend zeigte noch etwas: Anders als im Umfeld der SPD ist bei den Grünen, trotz aller Ernüchterung, noch eine Fähigkeit zum intellektuellen Diskurs übriggeblieben, der auch scharfe Kritik an der „eigenen“ Partei als Argument für deren Stärke versteht. Das Publikum jedenfalls zollte den Politikern wie ihren Kritikern Beifall. Reinhard Mohr

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