■ Grüner Parteitag in Bremen: Pubertäre Gruppenneurose oder Prinzipientreue?: Die verflixte grüne Basis
betr.: „Die Schubser von Bremen“, Kommentar von Patrik Schwarz, taz vom 19. 10. 02
Die wahren Gründe für die Krise liegen in der pubertären Gruppenneurose von Teilen der Grünen, Führungsfiguren gleichzeitig herbeizusehen und vom Sockel zu stoßen. Um sich in diesem paradoxen Verhalten so richtig wohl zu fühlen, braucht man einen rebellischen Anführer, hier Christian Ströbele. Er löst den Widerspruch in seiner Person auf, als Hüter des Basisideals und zugleich als Oppositionsstar. Wie kam er zu dieser Doppelrolle?
Als Abgeordneter! Stünde er ohne sein Direktmandat sonst im Lichte der Öffentlichkeit? Aber für das selbst angemaßte Amt des Volkstribunen gibt es anscheinend keine Distanz zum Mandat. Dass Ströbele als grüner Antivorsitzender aus dem Schutz seiner Abgeordnetentätigkeit mehr Machtmissbrauch betreibt als die jetzt demontierte Grünenspitze, kommt ihm wohl nicht in den Sinn. ORTWIN LÖWA, Hamburg
betr.: „Grüne Spitze wettert gegen Kanzler“, taz vom 19. 10. 02
Parteichef Fritz Kuhn kann kaum erkennen, dass das von ihm beschworene „Selbstbewusstsein der grünen Partei“ nichts anderes ist als der Wille, auf jeden Fall am Ruder zu bleiben. Wo die Richtung nicht stimmt, trägt alle Schuld der Mann am Steuer. Schade, dass es im Bundestag keine ernst zu nehmende Opposition mehr gibt. ERNST-GUST KRÄMER, Kalletal
betr.: „Ohrfeige für Roth und Kuhn“ (grüner parteitag), Kommentar von Bettina Gaus, taz vom 21. 10. 02
Die Prinzipientreue einiger Grüner in eine Mär vom Königsmord umzudichten, ist vielleicht im Interesse der Parteiführung, die mit Rückenwind in der Bundestagswahl versuchte, ein Grundprinzip grüner Politik zu Grabe zu tragen. Der Wahrheitsfindung dient sie nicht.
Die Wahrheit ist, dass auch von der Presse Roth und Kuhn vor Jahren noch nicht als die Lichtgestalten gesehen wurden, als die sie heute dargestellt werden. Es wird eine neue Führung geben. Daran wird auch das öffentliche Nachtreten Trittins bei Christiansen und das Schmollen der Parteiführung nichts ändern.
KLAUS SAMER, Wuppertal
Kuhn und Roth hätten also die Grünen zum größten Wahlerfolg ihrer Geschichte „geführt“. Man hat solche Kommentare befürchten müssen, als man, als rationaler Demokrat, das kleinste Übel wählte.
Ich möchte für mich und alle Grünenwähler, die ich so kenne, daher richtig stellen: Wir haben die Grünen trotz Kuhn, Roth und Fischer gewählt. Die Delegierten als Haufen pubertierender Rebellen darzustellen, ist ziemlich schwach (da hat C. Roth sogar recht). Ist es denn wirklich schlimmer, eine schwache Führung für eine Weile zu riskieren (nur zu riskieren) – als eine Führung zu zementieren, die so stark ist, dass sie glaubt, Parteitage seien nur zum Abnicken von Vorstandsvorlagen da?
SILKE KARCHER, Berlin
Ich freue mich meistens über eure kreativen Überschriften – auch die Überschrift „Grüne zwei Köpfe kürzer“ hat was, doch etwas Häme.
Inhaltlich ist sie aber ganz falsch, denn die Grünen werden zwei Köpfe größer … und unabhängiger, nämlich regierungsunabhängiger. Und das war/ist bitter nötig.
HERBERT JULIUS SCHLOSSER, Grünberg-Göbelnrod
Ursprünglich der Basisdemokratie verpflichtet, geht es der Hand voll grünen Führungsvolks unter Fischers Leitung heute ausschließlich darum, ihre Personen und ihre – höflich formuliert – pragmatischen Politikvorstellungen durchzusetzen. Dies ist ihnen bei einem allzu dürftigen Koalitionsvertrag gelungen, und es wird ihnen auch bei der Besetzung der Parteispitze gelingen – und wenn solange abgestimmt wird, bis ihnen das Ergebnis passt. […]
Ströbele kann dem A nicht das B folgen lassen, er kann das Ding nicht stemmen, auch wenn er tapfer mitmischen will. Jetzt gruselt man dem Parteivolk ein wenig mit Beer und massiert die eine oder andere Delegiertenseele. Man muss kein Prophet sein, um zu sehen, wer sich durchsetzen wird. TARIK TELL, Bonn
So ward sie denn medial siegreich geschlagen, die wohl fast letzte „Schlacht“ einer vorgeblich „Linken“ bei den Bündnis-Grünen: Amt und Mandat weiterhin formal getrennt, wow. Der Betrachter ist wahrlich ergriffen. Ach ne, es gibt sie ja nicht, die informellen bündnisgrünen Führungszirkel. Ach ne, es gibt ihn ja nicht, den informellen big Vorsitzenden Joseph F.
Der Betrachter reibt sich verträumt seine Augen ob dieser Schaumschlägerei. Hatte dieses Bremer Parteitagswochenende irgendwas mit Inhalten zu tun? Mit linken Inhalten gar? Höchstens mit bündnisgrünen Formalinhalten. Und zwei mittlerweile hin und her austauschbare Profil-Köpfchen weniger auf dem Podium, na und? OLAF MEYER, Dresden
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