■ Grüner Parteitag: Amt und/oder Mandat?: Innerparteiliche Demokratie
betr.: „Ohrfeige für Roth und Kuhn“, taz vom 21. 10. 02
Der Kommentar von Bettina Gaus ist eine Perle. Wenn die „Spitzenkader“ die Ablehnung einer Satzungsänderung für eine Parteikrise halten, so zeigt das doch nur ihre professionelle Deformation.
Es gibt keine Krise, die Partei will eindeutig Fritz Kuhn und Claudia Roth als SprecherInnen behalten, sie sollen nur auf ihr Mandat verzichten, so wie es immer war. Eine starke Partei hängt doch nicht am doppelten Einkommen von Claudia und Fritz.
Die Erwartungen der WählerInnen, die Claudia angeblich nicht enttäuschen will, sind dabei nur vorgeschoben, denn beide wurden ja über die Liste gewählt, also nicht persönlich. Darauf sollten sich die beiden nicht versteifen. Dann werden sie auch wieder „Vorsitzende“. So einfach ist das. FRANK MIETHING, Berlin
betr.: „Grüne Chefs schenken alle Macht der Basis“,taz vom 22. 10. 02
Übersetzt man das grüne Neusprech der beiden Vorsitzenden und ihres „Umfeldes“ ins Deutsche und nimmt die Vorstellung von Frau Roth heute früh im Morgenmagazin des Deutschlandfunks hinzu, bedeutet das konkret: Die Telefondrähte zwischen dem Fischer-Küchenkabinett und den Kreis- und Landesverbänden glühen, damit zum nächsten Parteitag im Dezember genügend Anträge vorliegen, mit denen der Beschluss vom Samstag gekippt werden kann. Merke: Wir lassen so lange abstimmen, bis das gewünschte Ergebnis erzielt ist. Das Ganze nennt sich übrigens innerparteiliche Demokratie. JOCHEN SCHOLZ, Swisttal
Strukturen, die sich ein Zusammenschluss von Menschen gibt, sollen, wie der Name sagt, das (Ver-)Handeln dieser Menschen miteinander strukturieren, also bestimmen und lenken. Die Handelnden sollen nicht machen können, was ihnen gerade in den Unsinn kommt. Bei den Grünen geht das seit vielen Jahren anders. Es gibt eine „Struktur“, aber wenn es Leute gibt, die in dieser Struktur nicht so vorwärts kommen oder das machen können, was sie wollen, ist die Struktur Mist und muss dem handelnden Subjekt angepasst werden. So geschieht es denn ja auch landauf, landab in den Landesverbänden. Nur im Bundesverband, der als einziger größere öffentliche Wahrnehmung genießt, gibt es immer mal wieder eine gewisse Befürchtung, die Anpassung der Grünen an die SPD auch parteistrukturell könnte erhebliche negative Auswirkungen auf Wahlerfolge haben. Denn wenn ein entsprechender Antrag nicht die satzungsgemäße, also „strukturelle“, Zweidrittelmehrheit bekommt, ist das ein, so in der taz zu lesen, „Debakel“.
Diese Befürchtungen sind unberechtigt. Ich bin sicher, dass es in der Weltgeschichte vor den Grünen noch keine Partei gegeben hat, die ihr Programm nicht nur umgeschrieben, sondern inhaltlich auf den Kopf gestellt hat, weil ihr oberster Guru Außenminister werden wollte. Weshalb die Partei vielleicht nicht in „Das Grauen“ umbenannt werden sollte, aber doch in „B-52-Grüne“. Denn dann interessiert die „Struktur“ niemanden mehr wirklich.
RICHARD KELBER, Dortmund
Claudia Roth und Fritz Kuhn haben schlussendlich mit den Delegierten genau das Gleiche gemacht wie Schröder mit der grünen Fraktion, als er die Abstimmung zum Afghanistaneinsatz mit der Vertrauensfrage verband. […]
Wenn jetzt der Bundesvorstand eins auf beleidigt macht, dann werden hier die Tatsachen doch auf den Kopf gestellt. Wer hat denn die Malaise verschuldet? Wenn sich die beiden trotz bestehender Beschlusslage der Grünen entschieden haben, für den Bundestag zu kandidieren, dann haben sie damit bewusst ihr Parteiamt riskiert. Einen zwingenden Grund gab es dafür nicht. Im Gegenteil. Das Abschneiden bei der Bundestagswahl hat im Nachhinein sogar deutlich gezeigt, dass auch ohne die Verfilzungen, Macht- und Klüngelstrukturen, die bei den anderen Parteien vorherrschen, erfolgreich gearbeitet werden kann. Ein Grund mehr, daran festzuhalten. Pech, dass jetzt alle interessanten Ämter in der Fraktion schon vergeben sind. So bleibt für Claudia Roth und Fritz Kuhn fast nur noch ein Hinterbänklerdasein. Schade drum; sie waren gut. Ihr Schicksal sei den anderen Mahnung, das Parteivolk in Zukunft wieder etwas ernster zu nehmen und Parteitagsbeschlüsse nicht mit Füßen zu treten, seien sie auch schon etwas angestaubt. Lange genug sind sie eigentlich dabei, um zu wissen, dass man viel mit den Delegierten machen kann, aber nicht alles.
JÜRGEN PRITZEL, Herrischried
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