Grünen-Chefin Roth: "Ich empfehle Enthaltung"
Grünen-Parteivorsitzende Claudia Roth über den bevorstehenden Afghanistan-Parteitag und ein "ziemlich übles Manöver" der Regierung.
taz: Frau Roth, Sie stimmten für den Isaf-, aber gegen den Tornado-Einsatz. Wie kommen Sie aus diesem Dilemma hinaus?
Wir sind konfrontiert mit einem ziemlich üblen Manöver der Regierung, das durchschaubar ist und interessengeleitet. Es ist ganz offenbar eine Reaktion auf die Tornado-Abstimmung im März, als 74 Mitglieder der großen Koalition dagegen waren. Jetzt nimmt man uns die Freiheit, differenziert abzustimmen.
Also, was werden Sie tun?
Wir lassen also auf dem Parteitag OEF, Isaf und Tornados getrennt abstimmen, um unsere Position deutlich zu machen. Und wir wollen diskutieren, ob nicht eine Enthaltung bei der Bundestags-Abstimmung der richtige Weg wäre.
Künast, Kuhn und Bütikofer stimmten bisher für Isaf und den Tornado-Einsatz, warum sollten sie sich jetzt enthalten?
Eine Enthaltung kann ein Weg sein, unsere prinzipielle Unterstützung für eine militärische Absicherung des Wiederaufbaus und gleichzeitig unsere Unzufriedenheit mit dem Kurs der Bundesregierung und ihres taktischen Manövers auszudrücken.
Wieso kann sich die Grünen-Spitze nicht über den Tornado-Einsatz einigen?
Wir haben an diesem Punkt unterschiedliche Auffassungen über die Notwendigkeit dieses teuren Einsatzes. Der kostet 84 Millionen Euro, gleichzeitig wird die Ankündigung, dass die Entwicklungshilfe um 20 Millionen aufgestockt wird, als Riesending gefeiert - und nicht umgesetzt.
Das realpolitische Argument, die Tornados verschafften Ruhe vor weiteren Nato-Forderungen, gilt für Sie nicht?
Also bitte kein Ablasshandel! Bündnisverpflichtung heißt nicht, dass ich alles tun muss, was das Bündnis verlangt, sondern auf richtige Entscheidungen im Bündnis hinzuwirken.
Wird der Sonderparteitag durch die Zusammenlegung der Mandate nicht ad absurdum geführt?
Nein, es besteht Bedarf an einer breiten öffentlichen Debatte. Wir sind klar für Isaf und für eine Stärkung des zivilen Aufbaus, und unser Antrag, der am 15. September zur Debatte steht, unterbreitet dafür detaillierte Vorschläge. Auch was den Umgang mit dem gescheiterten war on terror angeht.
Es heißt immer wieder, der "linkspazifistische" Flügel bei den Grünen fühle sich übergangen. Gibt es bei den Grünen noch echte Pazifisten?
Unser politischer Pazifismus stand nie im Widerspruch zu militanten Bewegungen, etwa in Lateinamerika.
Es gibt in der Partei inzwischen eine große Übereinstimmung: Es gibt Situationen, in denen Gewalt auch mit militärischen Mitteln zurückgedrängt werden kann, um eine politische Perspektive überhaupt zu erreichen.
INTERVIEW: KATHARINA KOUFEN
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu