: Grüne geben CDU mal wieder Korb
Die CDU zeigt sich erneut interessiert an Schwarz-Grün als möglicher Regierungskoalition – und blitzt auch dieses Mal ab. Der Annäherungsversuch kommt von CDU-Generalsekretär Lawrentz, der Übereinstimmung bei Sozialthemen sieht
Es ist wie in einem jener 50er-Jahre-Filme, in dem der Hausfreund auch mit dem x-ten Heiratsantrag scheitert. Erneut machen die Christdemokraten den Grünen Avancen, erneut holen sie sich einen Korb. „Umworben zu werden ist ja an sich nichts Schlechtes. Für uns ist aber Schwarz-Grün derzeit kein Thema“, sagte Fraktionschefin Sibyll Klotz. An der jüngsten Aussage der CDU ist bemerkenswert, dass sie von einem der Konservativen der Partei kommt, dem neuen Generalsekretär Gerhard Lawrentz. Der stellte in der Morgenpost bei Schwarz und Grün „mitunter mehr Deckungsgleichheit als bei SPD und Grünen“ fest.
Lawrentz bestätigte der taz, dass er bei Sozialthemen besonders große Übereinstimmung zwischen Union und Grünen sieht. „Die CDU und die Grünen gehen beide sehr stark von einem bürgerlichen Bild aus, das die Verantwortung mehr beim Einzelnen sieht“, sagte er. Als Beispiel nannte Lawrentz die Übergabe von Kitas an freie Träger.
Klotz bestritt nicht, dass Grüne wie Christdemokraten einen weniger staatsnahen Ansatz haben als die SPD. Die ablehnende Haltung der CDU belegt aber für sie, wie sehr beide Parteien auseinander liegen. Bemerkenswerte Chuzpe nannte es Klotz, wie die Berliner CDU sich trotz Bankenskandal und innerer Zerstrittenheit schon wieder Regierungsbeteiligung zutraue. Ende April waren CDU und Grüne bei einer Wahlumfrage zusammen auf 51 Prozent gekommen.
Grünen-Landeschefin Almuth Tharan mochte die von Lawrentz festgestellte Übereinstimmung in sozialen Fragen so nicht teilen. „Wenn ich mir die jüngsten Vorschläge der Union auf Bundesebene zur Krankenversicherung anschaue, so kommt das nicht in die Tüte.“ Der Bund sei eine andere Spielfläche, entgegnete Lawrentz.
Tharan sah keinen Fortschritt gegenüber früheren Schwarz-Grün-Aussagen der Union. „Gesprächsangebote gab es schon immer, aber gemeldet hat sich dann niemand.“ Sie sieht bei der CDU eine Art Salamitaktik der Annäherung, vor allem über die Bezirke.
Der Vorstoß von Generalsekretär Lawrentz ist der dritte binnen acht Wochen. Anfang Mai sagte der später zum Parteichef gewählte Bürgermeister von Mitte, Joachim Zeller, ein Dialog mit den Grünen ergebe sich zwangsläufig. „Wir merken, wie die Schnittmenge in vielen Politikfeldern immer größer wird“, erklärte er. In Mitte unterstützen die Grünen Zeller seit 1995 als Bürgermeister. Kaum eine Woche danach forderte der Parteiliberale Peter Kurth, man müsse zu neuen politischen Bündnissen kommen und „einmal jenseits von seit Jahren behaupteten Schützengräben über tatsächliche Differenzen sprechen“.
Über ein zentrales Streitfeld, die innere Sicherheit, diskutierte Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann jüngst bei einem Pankower CDU-Ortsverband mit einem Anwaltskollegen und Arbeitskreischef Sicherheit der Union. Das sei aber kein schwarz-grünes Flirten, sondern ein Fachgespräch gewesen. Weiter gilt für Ratzmann: „Derzeit ist die CDU noch zu unerotisch zum Flirten.“ Die Grünen seien bereit, Regierungsverantwortung zu übernehmen, „und wir machen es mit denjenigen, die personell, konzeptionell und organisatorisch in der Lage sind, die Stadt voranzubringen“. Keine dieser drei Voraussetzung aber sieht er bei der CDU erfüllt.
Doch die Art der Ablehnungen lässt vermuten, dass es auch einen nächsten Annäherungsversuch der CDU geben wird: In fast keiner Zurückweisung fehlt das Wort „derzeit“ – und die nächste Berlin-Wahl ist turnusmäßig erst wieder 2006. Die besagten 50er-Jahre-Filme endeten übrigens nicht selten damit, dass sich die Umworbene doch noch erweichen ließ. STEFAN ALBERTI