Grüne drohen Union: Atomkraft als Fehdehandschuh
Lustvoll steigen die Grünen auf das neue Wahlkampfthema der Union ein: die Atomkraft. Eine schwarz-grüne Koalition nach der Wahl sei ohne ein Nein zur Atomkraft ausgeschlossen.
BERLIN taz/ap Kurz vor der Sommerpause ist bei den Grünen noch ein Energieschub zu vermessen. "Mit einer gewissen Lust" greife man das "Angebot" der Union auf, den Wahlkampf zur Bundestagswahl 2009 über das Thema Atomkraft zu führen, erklärte Parteichef Reinhard Bütikofer am Montag. Auch Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn kündigte an, wenn CDU und CSU die Rückkehr zur Atomenergie betrieben, werde man sich "auf der Straße wiedersehen".
Die Grünen seien bereit, "den Fehdehandschuh" aufzunehmen, sagte Kuhn. Eine mögliche schwarz-grüne Koalition nach der Bundestagswahl wäre in diesem Fall ausgeschlossen. Bundeskanzlerin Angela Merkel könne mit den Grünen Sondierungsgespräche führen, "aber wenn sie wieder in die Atomkraft einsteigen will, dann gehen die nur zehn Minuten".
Bütikofer sagte: "Wir führen keine Schwarz-Grün-Debatte. Wir sehen auch keinen Anlass dazu. Wir kämpfen für eine Mehrheit für den Atomausstieg." Dass anlässlich der neuen Atomstromdebatte vermehrt Umfragen zugunsten von Atomkraft veröffentlicht werden, kommentierte Bütikofer: "Mich beeindruckt nicht, dass vonseiten der Atomlobby Fragen so formuliert werden", dass entsprechende Ergebnisse herauskämen. Das ZDF-Politbarometer hatte zum Wochenende gemessen, dass 54 Prozent der Befragten dafür waren, die deutschen Atommeiler über das Jahr 2021 hinaus laufen zu lassen. Dies ist das Zieldatum für den Atomausstieg, der im Jahr 2000 von der rot-grünen Bundesregierung und den Energieversorgern vereinbart wurde.
Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte am Wochenende erklärt, die Union werde mit Atomkraft in den Wahlkampf ziehen. Doch präzisierte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla am Montag: "Es geht weder um neue Kernkraftwerke noch um die Frage, dass wir isoliert einen Energieträger in den Mittelpunkt irgendeiner Auseinandersetzung stellen." Die CDU werbe für einen breiten Energiemix. Die Atomkraft werde als Brückentechnologie gebraucht.
Die Aussicht auf einen AKW-Wahlkampf hat offenbar auch Berliner und Brandenburger Grüne dazu bewogen, gegen die ehemalige Staatssekretärin Margareta Wolf ein Parteiausschlussverfahren zu fordern, wenn sie weiter für die Atomlobby arbeite. Wolf schied im Januar 2008 aus dem Bundestag aus. Bei einer PR-Agentur arbeitet sie jetzt für den "Informationskreis Kernenergie". Bütikofer sagte dazu, er sehe "Erklärungsbedarf", werde aber "erst einmal persönlich mit Margareta Wolf reden". Für ein Ausschlussverfahren sei der Bundesvorstand nicht zuständig. ULRIKE WINKELMANN
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Innereuropäische Datenverbindung
Sabotageverdacht bei Kabelbruch in der Ostsee
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört