Grüne Chefauslese rückt näher: Künast wirbt für Ratzmann
Fraktionschefin Renate Künast wirbt erstmals öffentlich für den Berliner Volker Ratzmann als neuen Parteichef. Özedmir äußert sich nicht dazu, ob er Interesse an dem Posten hat.
BERLIN taz Der Trommelwirbel ist beinahe zu hören: Traut er sich? Wird Cem Özdemir sich vor den Vorhang wagen, um sein Interesse am Amt des Grünen-Bundesvorsitzenden zu verkünden?
Drei Monate ist es nun her, dass Grünen-Chef Reinhard Bütikofer seinen Rückzug zum Erfurter Parteitag im November ankündigte. Seit Wochen wird der Europaparlamentarier Özdemir vom Realo- bzw. "Reformer"-Flügel der Grünen bearbeitet, für die Nachfolge zu kandidieren.
Am Sonntag blieb Özdemir recht dürr: Er habe nichts zu sagen, "was nicht schon in den Zeitungen stand". Das aber war bislang etwas undeutlich: Einerseits hatte er gesagt, er traue sich das Amt nicht zu. Andererseits schloss er zuletzt eine Kandidatur nicht mehr ganz aus.
Doch gibt es schon einen, der laut gesagt hat, den Posten nicht zu verschmähen: Der Berliner Fraktionschef im Abgeordnetenhaus Volker Ratzmann. Für ihn warb die Grünen-Spitzenkandidatin Renate Künast nun auch öffentlich. Ratzmann habe "gezeigt, dass er es kann", sagte sie dem Tagesspiegel vom Sonntag: "Deshalb unterstütze ich seine Kandidatur."
Die Terminlage spricht stark dafür, dass Ratzmann oder Özdemir oder sogar beide sich diese Woche erklären. Auf dem Realo-Treffen am heutigen Montagabend sollen Fakten geschaffen werden. "Der Moment der Entscheidung ist einfach da", sagte der schleswig-holsteinische Grünen-Landeschef Robert Habeck. "Wer jetzt noch länger laviert, wird Schaden davontragen."
Vor allem der Manager des "Reformer"-Lagers, der Abgeordnete Omid Nouripour, ist gegen eine Kandidatur Ratzmanns. Denn Ratzmann ist kein offiziell Flügel-Organisierter. Ursprünglich kommt er - ganz wie seine Mentorin Künast - aus dem linken Lager. Nouripour weist von sich, dass er seit einem politischen Konflikt auf dem Wahlparteitag 2005 persönlich etwas gegen Ratzmann habe.
Abgesehen davon jedoch werden Özdemir wie Ratzmann im Realo-Lager als geeignete Kandidaten gehandelt, die auch gern im November gegeneinander antreten könnten: Der Rechtsanwalt Ratzmann ist Innenexperte und hat über die Bundesarbeitsgemeinschaft "Demokratie und Recht" Parteiverankerung. Der baden-württembergische Sozialpädagoge Özdemir war bis 2002 im Bundestag ebenfalls Innenpolitiker und macht sich um das Integrationsthema verdient. Damit liegt Özdemir inhaltlich noch dichter bei der Koparteichefin Claudia Roth als Ratzmann. Doch ein Wirtschafts- oder Umweltexperte, der Roth tatsächlich ergänzen würde, ist keiner von beiden.
Roth hat sich am Wochenende vom Linken-Bundestreffen in Kassel jedenfalls vollständige Unterstützung für ihren Wiederantritt im November zusichern lassen. Häme verspüre man über die Personalprobleme des anderen Flügels nicht, erklärte Astrid Rothe-Beinlich, linke Thüringerin im Bundesvorstand. "Niemand kann Interesse an einem schwachen Bundesvorstand haben." ULRIKE WINKELMANN
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Neue israelische Angriffe auf Damaskus
Russlands Nachschub im Ukraine-Krieg
Zu viele Vaterlandshelden