piwik no script img

Großväterliches Geschick

■ Schmidts Tivoli: Das Konzert von Bill Ramsey war am besten, als der alternde Meister die Bühne verlassen hatte

Wer wüßte es nicht aus eigener leidvoller Erfahrung: Das Verhältnis zwischen den Generationen ist weiß Gott nicht immer unproblematisch, geschweige denn harmonisch. So gesehen hätte der Titel, den Bill Ramsey und Quintett ihrem Konzert am Montag abend gegeben hatten, auch als Warnung verstanden werden können.

Two Generations of Swing sollten sich im Tivoli präsentieren, und der mittlerweile 64jährige Ramsey setzte kokettierend noch eins drauf. Eigentlich seien es nämlich sogar drei Generationen, die auf der Bühne vertreten seien, aber man habe ihn selbst dabei wohl vergessen. Reines fishing for compliments, und der herzliche Erwiderungsapplaus kam denn auch prompt. Denn natürlich war man seinetwegen gekommen, hatte geduldig ausgeharrt, um ihn, den fülligen Amerikaner mit dem Rauschebart, einmal leibhaftig zu erleben.

Und von Anfang an sorgte der launig moderierende Ramsey dafür, daß man vor allem ihn erlebte. Mit großväterlicher Autorität lenkte er den Gang des Konzertes und das Geschick jeder Nummer, wachte eifrig darüber, daß das Improvisationsgestrüpp in der tropischen Hitze des Rotundenbaus nicht zu üppig auswucherte. Jedes Stück, ob Elington, Garner oder das „Girl From Ipanema“ verharrte so in einem weitgehend starren Grundmuster: Jeder Musiker leistete brav sein kleines Solo ab, Ramsey intervenierte mit mäßig originellen Gesangsimprovisationen. Kennzeichnend, daß gerade seine Versuche zu spontanem Duettieren an der eigenen Unflexibilität scheiterten.

Fast wäre dieser Abend solcherart zum Rundgang durch ein Jazz-Museum geworden, in dem ein Gralshüter der Tradition leere Formalismen ad infinitum repetiert, hätte sich der Patriarch nicht für zwei Nummern von der Bühne zurückgezogen. Da blitzte mit einem Male all das auf, was gute Musik ausmacht – phantsievolle Soli, aufmerksames Aufeinanderhören, inspiriertes Zusammenspiel. Wo vorher nur routiniert-professionell begleitet wurde, warfen sich die Solisten nun munter die Melodiebälle zu, war nichts mehr schulmäßig berechenbar. Das Publikum quittierte begeistert. Vielleicht wird's auch der Alte vernommen haben.

Jörg Königsdorf

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen