Großer Preis für viele kleine Lösungen : KOMMENTAR VON DOMINIC JOHNSON
Die Vergabe des Friedensnobelpreises an Muhammad Yunus aus Bangladesch und seine Grameen-Bank ist nur auf den ersten Blick ungewöhnlich. Seit einigen Jahren ist beim Nobelpreiskomitee in Oslo der Trend zu beobachten, dass es bei ihren Entscheidungen weg von herausragenden Einzelpersonen geht und hin zu herausragenden Prozessen. Mikrokredite sind eines der einfachsten und effektivsten Instrumente zur Armutsbekämpfung. Es war höchste Zeit, sie mit dem prestigeträchtigsten Preis der Welt zu ehren.
Denn Frieden in der Welt, diese Einsicht vermittelt das Osloer Komitee, hängt nicht nur von der Abrüstung von Waffenbeständen ab, sondern mindestens genauso von einer Verbesserung der Lebensumstände der Ärmsten. Wo eine Elite sich bereichert und die Masse der Besitzlosen in weiten Teilen der Welt immer größer wird, stellt sich im Weltmaßstab eine in Europa längst überwunden geglaubte „soziale Frage“: Wie ist mit den Konflikten umzugehen, die sich anbahnen, wenn eine perspektivlose Unterschicht heranwächst, während sich zugleich der Wohlstand auf der Welt sichtlich mehrt?
Die Antwort der Mikrokredit-Bewegung auf diese Frage ist eindeutig: Es gibt keine große Lösung. Es gibt nur viele kleine Lösungen, für viele kleine Lebensperspektiven. Das Beste, was den Milliarden Hungernden und Armen auf der Welt passieren kann, ist, dass sie vom Rest der Welt nicht mehr als amorphe, gefährliche Masse gesehen werden, sondern als das, was sie sind: Menschen, die jeweils für sich unterschiedliche Nöte, Neigungen und Hoffnungen haben. Viel zu oft herrscht in den Köpfen von Entscheidern noch Planwirtschaft: Man legt selbst fest, was die Armen brauchen sollen, und man überlegt, wie man es ihnen gibt. In Wahrheit kennt niemand die Bedürfnisse eines Menschen besser als der betroffene Mensch selbst.
Erst die Möglichkeit, die eigenen Bedürfnisse selbstbestimmt zu erfüllen, eröffnet einen nachhaltigen Ausweg aus Armut und Elend. So hat das Nobelpreiskomitee nicht nur den Zusammenhang zwischen Armutsbekämpfung und Friedenspolitik betont, sondern auch einen überfälligen Schritt zur Stärkung des Freiheitsgedankens getan.