Grönlandwal "nicht mehr gefährdet": Wale profitieren vom Klimawandel
Der Grönlandwal im Nordostatlantik erholt sich. Er hat mehr Sex mit Artgenossen aus dem Stillen Ozean, die durch die schmelzende Nordwestpassage zu ihm wandern.
STOCKHOLM taz | Sie tragen den Namen der Insel, doch in deren Küstengewässern war ihr Bestand jahrzehntelang vom Aussterben bedroht - nun geht es wieder aufwärts mit den Grönlandwalen im Nordostatlantik. Dänische Forscher sichteten 1.200 Tiere im Meeresgebiet vor Nordwestgrönland, das sind deutlich mehr als noch im Jahr 2000. Grund für den Zuwachs: Die heute vorwiegend nur noch um Alaska herum lebenden Wale wandern aus dem Norden des Stillen Ozeans zur Küste Grönlands und paaren sich dort mit ihren Artgenossen. Das geht nur, weil die Nordwestpassage im Zuge der Erderwärmung immer öfter eisfrei ist.
Grönlandwale sind bis zu 18 Meter lange und 80 Tonnen schwere Riesen, die täglich mehr als eine Tonne Plankton und Kleinlebewesen fressen. Sie können älter werden als jedes andere Säugetier auf der Erde. Den Rekord hält ein Mitte der neunziger Jahre harpunierter Grönlandwal, dessen Alter Forscher auf 211 Jahre bestimmen konnten.
Von einem ursprünglichen Bestand von schätzungsweise 50.000 Grönlandwalen waren in Folge der Bejagung ab dem 18. Jahrhundert zu Beginn des 20. Jahrhunderts nur noch einige Tausend Tiere übrig. 1938 wurde diese Walart unter Schutz gestellt. Mittlerweile steht sie auf derRoten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN in der Kategorie "nicht gefährdet". Für einige regionale Bestände galt das bisher allerdings nicht.
Die Grönlandwale können zweistimmig singen, die Töne anderer Walarten imitieren und sie ändern jedes Jahr ihre Melodien, haben die dänischen Forscher in der Arktisstation Qeqertarsuaq herausgefunden. "Die Hits des Vorjahres sind tabu", sagt Outi Tervo, wissenschaftliche Leiterin der Station: "Das Repertoire ist jedes Jahr neu. Vermutlich als Bestandteil des ewigen Wettstreits sich paaren zu dürfen." Die "Sommerhits" der "Nachtigallen der Meere" aus den letzten vier Jahre kann man sich auf der Webbseite der Uni Kopenhagen anhören. www.science.ku.dk/nyheder/29072009/ ("Grønlandshvalens sang")
Der grönländische Grönlandwal wurde noch in den neunziger Jahre als akut gefährdet eingeordnet. Nun scheint er vom Klimawandel zu profitieren, meinen Forscher der im westgrönländischen Qeqertarsuaq stationierten Arktisstation der Kopenhagener Universität. Den grönländischen Inuit ist es derzeit nur erlaubt, zwei Grönlandwale im Jahr zu erlegen. Dabei sollte es auch bleiben, meint die Mehrheit in der Internationalen Walfangkommission. Viele warnen davor, die Jagd wieder freizugeben - zumal die Wissenschaftler annehmen, dass der Klimawandel langfristig allen Walen zu schaffen macht und sie etwa weniger Nahrung finden werden.
Der in grönländischen Gewässern heimische Narwal zum Beispiel deckt seinen Energiebedarf in dicht mit Eisschollen bedeckten Gewässern, wo es kaum Konkurrenz durch andere Tierarten gibt und sie vor ihren natürlichen Feinden geschützt sind. Laut Mads Peter Heide-Jørgensen vom grönländischen Naturinstitut könnte den Tieren ihre mangelhafte Anpassungsfähigkeit zum Verhängnis werden: "Wir befürchten, dass sie sich bei einem markanten Klimawandel nicht rechtzeitig umstellen können." Zwar gelte der Eisbär gemeinhin als Verlierer des Klimawandels. Aber der Narwal, so meint der Forscher, könne die erste Tierart sein, die ihm zum Opfer falle.
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