Greuther Fürth in der Bundesliga: Henry Kissinger wird zum Fußballfan
Nach etlichen erfolglosen Versuchen stürmen die Franken der SpVgg Greuther Fürth nun endlich in die Fußball-Bundesliga. Zeit wurde es.
FÜRTH taz | Die Obere Fischerstraße heißt jetzt Mike-Büskens-Allee. Fans haben das grün-weiße Straßenschild kurzerhand zu Ehren des Aufstiegstrainers angeschraubt. Überhaupt ging es in der Nacht von Montag auf Dienstag hoch her in der Fürther Altstadt. In der Kneipenmeile Gustavstraße feierten tausende Anhänger der Kleeblätter zusammen mit den Spielern, die sofort nach Schlusspfiff von der Arena in die Stadt gefahren waren.
Im VIP-Bereich hatten sie zuvor die Liveübertragung aus Dresden verfolgt. Schon ein Düsseldorfer Unentschieden hätte zum Aufstieg gereicht. Die Sachsen siegten 2:1. Fürth müsste jetzt drei Spiele verlieren und Paderborn bei drei Siegen 31 Tore gutmachen, um die Grün-Weißen noch auf den Relegationsplatz zu zwingen. Anders gesagt: Fürth ist aufgestiegen. Definitiv.
„Ein Traum ist wahr geworden. Wir sind stolz, dass wir es geschafft haben“, sagte Manager Rachid Azzouzi, während sich Mittelfeldmann Stephan Schröck mit seinen Mitspielern daran machte, im „Gelben Löwen“ sein Versprechen („Wir nehmen die Stadt auseinander“) in die Tat umzusetzen. Viele Trainerkollegen aus der Liga hatten Fürth-Coach Mike Büskens bereits am Wochenende gratuliert. Tenor: Mit Fürth sei das Team aufgestiegen, das spielerisch die Liga dominiert hat.
Dem notorisch pessimistischen Umfeld getrotzt
Auch die nackten Zahlen sprechen für. Die Franken haben mit Abstand am wenigsten Gegentore (23) kassiert und am zweitmeisten (69) geschossen. Nach dem unglücklichen Pokal-Aus gegen den BVB siegte man munter in der Liga weiter – und das allen Unkenrufen im notorisch pessimistischen Umfeld zum Trotz. In einem Landstrich, dessen Bewohner nicht eben zur Euphorie neigen, trägt das spezielle Fürther Schicksal seinen Teil zur Skepsis bei.
Ganze sieben Mal in den vergangenen zehn Jahren scheiterte Fürth knapp am Aufstieg, sechsmal wurde man Fünfter, einmal Vierter. Aber mit einer Mischung aus Selbstironie und demonstrativem Selbstbewusstsein hat man den Fluch gebannt. Die Spielankündigungsplakate überschrieb man mit „Unaufsteigbar-Tour“. Manager Azzouzi gab zu Saisonbeginn das Ziel Bundesliga aus.
In der jungen Mannschaft ragen Linksverteidiger Heinrich Schmidtgal, die Eigengewächse Sercan Sararer, Stephan Schröck und Edgar Prib sowie Stürmer Olivier Occean (17 Saisontore) heraus. Auch Winter-Neuzugang Gerald Asamoah überzeugte mit fünf Treffern in acht Spielen.
Außer Außenverteidiger Bernd Nehrig sind alle Akteure langfristig gebunden. Azzouzi, der vor ein paar Tagen den Wechsel von Schröck nach Hoffenheim bekanntgeben musste, ist zuversichtlich, dass die anderen Leistungsträger bleiben: „Die Spieler wissen, dass sie bei uns den nächsten Schritt machen können. Auch bei Nehrig bin ich guter Dinge, dass er bleibt.“
Keine Stars, aber auch keine Schulden
Die Mannschaft punktuell verstärken, das Fanpotenzial erhöhen, den Umsatz steigern – all das schwebt Azzouzi und Präsident Helmut Hack nun vor. In den vergangenen 15 Jahren seit dem Zweitliga-Aufstieg 1997 hat sich der Verein eine eigene Identität als seriös geführter, ebenso star- wie schuldenfreier Ausbildungsverein erarbeitet.
Bescheiden fallen deshalb auch die Neubaupläne für das Stadion aus, das im Süden der Stadt entstehen soll. 35 Millionen Euro soll es kosten und Platz für 20.000 Zuschauer bieten. „Wir könnten gerade locker 10.000 Dauerkarten verkaufen, dürfen aber nicht vergessen, dass wir auch in dieser Saison manchmal nur 7.000 Zuschauer hatten“, sagt der Manager.
In der übernächsten Spielzeit soll das neue Stadion bezugsfähig sein, die kommende Bundesligasaison wird der dreimalige deutsche Meister (1914, 1926, 1929) also weiter im 15.500 Zuschauer fassenden Ronhof spielen. Dort dürfte jedes Spiel ausverkauft sein. Für den prominentesten Fan wird aber ein Platz freigehalten. Henry Kissinger, der in Fürth aufgewachsene ehemalige US-Außenminister, will im Sommer kommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind