Grenzkonflikt Äthiopien und Eritrea: UNO streckt Waffen
Die Blauhelmmission wurde erfolg- und ersatzlos. Eritrea und Äthiopien haben jeweils über 100.000 Soldaten an der Grenze stehen, um deren Verlauf sie bereits Krieg führten.
BERLIN taz Die UNO hat ihre glücklose Blauhelmmission an der Grenze zwischen Äthiopien und Eritrea ersatzlos beendet und damit die Bahn für einen neuen Krieg zwischen den beiden Ländern am Horn von Afrika freigegeben. In seiner Resolution 1827 ließ der UN-Sicherheitsrat am Mittwoch das Mandat der Blauhelmtruppe "Unmee" zum 31. Juli auslaufen und rief beide Länder dazu auf, "größtmögliche Zurückhaltung zu üben". Die zuvor erwogene Option einer reduzierten Beobachtermission findet keine Erwähnung mehr.
Die Geschichte von "Unmee" ist die des Scheiterns. Die UN-Mission entstand im August 2000, um einen Waffenstillstand zwischen Äthiopien und Eritrea zu überwachen. Von 1998 bis 2000 hatten die beiden Länder einen blutigen Krieg mit 70.000 Toten um drei umstrittene Wüstengebiete geführt. Es war ein Prestigekrieg wie aus dem Europa des 19. Jahrhunderts: Das erst seit 1993 nach langem Befreiungskrieg unabhängig gewordene Eritrea wollte sich gegen die ehemalige Besatzungsmacht Äthiopien behaupten. Der Frieden kam, nachdem Äthiopien die eritreischen Schützengräben überrannte. Teile Eritreas sind seitdem äthiopisch besetzt, bei anderen bleibt die nie im Detail festgelegte Grenze umstritten. Die UN-Blauhelme überwachen entlang der Waffenstillstandslinie eine 25 Kilometer breite entmilitarisierte Zone, die sich komplett auf eritreischem Staatsgebiet befindet. In einem Friedensvertrag Ende 2000 verpflichteten sich beide Länder, einen internationalen Schiedsspruch für den Grenzverlauf zu akzeptieren.
Weil der 2002 ergangene Schiedsspruch weitgehend Eritrea recht gab, lehnte Äthiopien ihn dann jedoch ab. Die UNO war dagegen machtlos, Eritrea fühlte sich betrogen und begann, die Arbeit der Blauhelmmission zu behindern. Erst wurden Überlandstraßen für die UNO gesperrt, dann UN-Versorgungsflüge untersagt, und ab 2006 schließlich schickte Eritrea Tausende Soldaten in die entmilitarisierte Zone. Äthiopien zog daraufhin seinerseits Truppen zusammen, allerdings außerhalb der Zone, und verwies darauf, dass Eritreas Truppenbewegungen eine Grenzdemarkation ohnehin unmöglich mache. Inzwischen hat jedes der beiden Länder über 100.000 Soldaten an der Grenze konzentriert, an manchen Stellen nur hundert Meter voneinander entfernt. Auf eritreischer Seite kann die UN-Mission längst nicht mehr arbeiten, und Ende November 2007 schmiss auch die internationale Grenzkommission ihre Arbeit hin und erklärte, die Grenze sei nunmehr "virtuell".
Die Feindschaft zwischen Äthiopien und Eritrea ist von außen nicht zu lösen. Eritreas Nationalbewusstsein basiert auf dreißig Jahren Guerillakrieg gegen Äthiopien, während das zwanzigmal größere Äthiopien den Verlust Eritreas - und damit seines Meereszugangs - immer nur widerwillig akzeptiert hat. Die Führer beider Länder waren früher als Guerillachefs miteinander verbündet, aber inzwischen hassen sie sich, und jeder muss sich innenpolitisch durch Abgrenzung gegen den ungeliebten Nachbarn beweisen. Seit zwei Jahren führen die beiden Länder gegeneinander einen Stellvertreterkrieg in Somalia: Äthiopien stürzte Ende 2006 in Somalia eine islamistische Regierung und hält die Hauptstadt Mogadischu seitdem besetzt, während Eritrea somalische Rebellen ausrüstet. Eritrea soll auch Rebellen innerhalb Äthiopiens bewaffnen. Als regionale Großmacht genießt Äthiopien die Unterstützung der USA, während Eritrea durch seine Hilfe für Somalias Islamisten ins internationale Abseits geraten ist.
Noch im April hatte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon die Option eines totalen Rückzugs abgelehnt mit der Begründung, dies "könnte zu eskalierenden Spannungen in den Grenzgebieten führen, mit dem Risiko einer Wiederaufnahme offener Feindseligkeiten". Da war die Mission, die 2007 von 4.000 auf unter 2.000 Soldaten verkleinert worden war, aber längst im Abzug begriffen. Zunächst wollte sich "Unmee" nach Äthiopien zurückziehen - das lehnte Äthiopien ab mit dem Argument, schließlich behindere Eritrea die Arbeit der UNO, nicht Äthiopien. Einen Rückzug nach Eritrea lehnte wiederum Eritrea ab mit dem Argument, wenn die UN-Soldaten nicht an der Grenze stünden, sollten sie ganz gehen. Nun tun sie das auch. DOMINIC JOHNSON
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