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Grenzenloses Einwanderungsgesetz

Anhörung in Bonn zu dem Thema, ob man ein „gutes“ Einwanderungsgesetz schaffen kann  ■ Aus Bonn Ferdos Forudastan

„Stellt euch vor“, sagte Saleh Hussein, „stellt euch vor, die Türkei und der Iran verabschieden Einwanderungsgesetze. Nur noch wenige flüchtende Kurden würden aufgenommen. Die meisten müßten an den Grenzen verhungern.“ Mit diesem Bild illustrierte der Mitarbeiter der Berliner Ausländerbeauftragten, was er gegen ein Einwanderungsgesetz hat — ein Gesetz also, das festlegt, wie viele und welche EinwanderInnen jährlich in die Bundesrepublik kommen dürfen. Ein Gesetz, das damit einen Teil der Einwanderungswilligen auch abweist. Den Entwurf für ein solches Paragraphenwerk will nun die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ausarbeiten. Saleh Hussein und andere Fachleute, die selbst hierher emigriert sind, hatte die Grüne Partei darum Anfang der Woche zu einer Anhörung nach Bonn geladen. Schon vor einigen Monaten waren von der damaligen Grünen-Bundestagsfraktion BefürworterInnen und GegnerInnen eines solchen Projektes in die Bundeshauptstadt getrommelt worden. Sobald der Gesetzentwurf fertig ist, wollen die Grünen nochmal ExpertInnen hören. Reges Treiben also um einen einzigen Gesetzentwurf — der freilich ein Grundprinzip grüner Ideologie verabschieden würde: jenes Prinzip der offenen Grenzen für alle, die kommen wollen.

Saleh Husseins Bild vermochten während der Bonner Anhörung auch jene TeilnehmerInnen nichts entgegenzusetzen, die sich für das Projekt eines grünen Einwanderungsgesetzes stark machten. Sie hoben darum wohl auch auf das ab, was sie sich von einem solchen Normenkatalog erhoffen. Zum Beispiel Sanem Kleff aus dem Berliner GEW-Vorstand: Ein „Signal an EinwanderInnen, daß die reiche Welt sie will“, „endlich durchschaubare und handfeste Kriterien der Einwanderung“ sieht sie in einem möglichen Einwanderungsgesetz, „zu dem es keine Alternative gibt“. Ismail Hakki Kosan will das Projekt auch, weil Grüne und Alternative damit erstmals in der Lage wären, Ausländerpolitik positiv zu gestalten. Die „Akzeptanz der deutschen Bürger“ läßt Cem Özdemir für ein Einwanderungsgesetz streiten. Als grünes Landesvorstandsmitglied und Kandidat für den Bundestag habe er erfahren, daß man eben darauf angewiesen sei, „Mehrheiten in der Gesellschaft zu gewinnen“. Freilich: Cem Özdemir und andere BefürworterInnen grüner Grenzen knüpften an einen solchen Gesetzentwurf — mehr oder weniger strenge und konkrete — Bedingungen. So verlangte etwa Arif Ünal, Vorsitzender der „Föderation der Immigrantenvereine aus der Türkei“, daß das Normenwerk in eine „gezielte Einwanderungspolitik eingebettet werden müsse. Das neue restriktive Ausländergesetz abzuschaffen, gehört für ihn etwa dazu, außerdem ein Antidiskriminierungsgesetz zu verabschieden, den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit erheblich zu erleichtern. Vor allem eines knüpften er und seine MitstreiterInnen wiederholt an die Idee vom grünen Einwanderungsgesetz: Die Rechte der hierher Flüchtenden, der AsylbewerberInnen dürfte es, mittelbar oder unmittelbar, nicht beschneiden.

So sehr alle BefürworterInnen darauf bestanden, so wenig wußten sie auf diesen Einwand der GegnerInnen grüner Grenzen zu entgegnen: Flüchtlinge und EinwanderInnen seien heute kaum mehr zu trennen: „Jeder, der unter der herrschenden ungerechten Weltwirtschaftsordnung leidet und deswegen hierher kommt, ist ein politischer Flüchtling“, so formulierte es ein Teilnehmer. Teilweise heftig kritisiert wurden jene, die das grüne Gesetz wollen, auch noch aus anderen Gründen. Es würde, so Saleh Hussein, keine der Ursachen beseitigen, die Menschen in die Flucht treiben. Es gelte, die schon herrschenden ausländerfeindlichen Gesetze zu bekämpfen, „statt neue zu schaffen, die sich an der Altersversorgung und dem Arbeitsmarkt der Deutschen orientieren“. Dies wandte Necati Mert, Herausgeber der Zeitschrift 'Die Brücke‘ ein. Und er ergänzte: Ein hier mehrheitsfähiges Einwanderungsgesetz könne gar nicht einwanderInnen- oder ausländerInnenfreundlich sein. Überdies, so die GegnerInnen, müßten gerade Grüne für eine andere Weltwirtschafts- und Außenpolitik kämpfen, statt sich mit den Folgen der herrschenden irgendwie zu arrangieren. Besonders aber einen Vorwurf mußten sich jene gefallen lassen, die für das Projekt der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stritten: Kriterien dafür, wie viele und welche EinwanderInnen nach einem solchen Gesetz hereingelassen werden sollen, haben „noch immer nicht, obwohl jetzt schon so lange darüber diskutiert wird“, sagte eine Teilnehmerin. Und Sanem Kleff räumte ein: „Wir BefürworterInnen werden uns die Hände schmutzig machen. Eine Kontingentierung werden wir nämlich fordern müssen.“

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