: Greenpeace blockiert Arzneimittelfabrik
■ „Pillenproduktion vergiftet die Elbe“ / Überdurchschnittlich viele Erkrankungen an Leberkrebs in der Region Dresden / Neuer Umweltminister will Belastung durch Industrie verringern
Hamburg/Dresden (ap/taz) - Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hat am Donnerstag die Zufahrt zum VEB -Arzneimittelwerk Dresden vorübergehend blockiert. Wie Greenpeace in Hamburg mitteilte, sind die Abwässer aus diesem Werk „die höchstbelasteten Abwässer, die wir entlang der gesamten Elbe gefunden haben“. Die Umweltschützer schippern gegenwärtig mit ihrem Laborschiff „Beluga“ die Elbe entlang durch die DDR, um dort die Belastung des Flusses durch Giltstoffe zu untersuchen.
Am Donnerstag mittag boten Greenpeace-Aktivisten vor dem Arzneimittelwerk einen „hochprozentigen Cocktail“ an, gemixt aus dem gesamten Gift-ABC der chemischen Industrie. Die Umweltschützer richteten den gelben Drink in 120 Biergläsern auf einem Buffet vor dem Werkstor an und blockierten den Zugang. Die Brühe stammte von Proben des ungeklärten Abwassers aus dem Werk, die im Bordlabor der „Beluga“ analysiert worden waren.
Das Dresdner Arzneimitelwerk pumpt nach Darstellung von Greenpeace seit elf Jahren täglich bis zu 5.000 Kubikmeter Giftstoffe in die Elbe. Der Betrieb liege zwar abseits des Flusses. Dennoch leite er seine ganz und gar unbehandelten Abwässer unterirdisch und gut versteckt in die Mitte des Stromes.
Zu dem Plan, in dem Werk künftig mit westlicher Hilfe eine Verbrennungsanlage für chlorhaltige organische Rückstände zu errichten, erklärte Greenpeace, wichtiger als eine solche „Reparaturmaßnahme“ sei eine Umstellung der Produktion“. Es dürften überhaupt keine chlorhaltigen Rückstände mehr anfallen. „Es ist höchst zweifelhaft, ob die Firma mit ihren Pillen den Schaden wieder gutmachen kann, den sie mit ihren giftigen Abwässern bei der Bevölkerung anrichtet“, kommentierte Greenpeace-Mitarbeiter Jörg Naumann aus Dresden. Denn nur wenige Kilometer flußabwärts gewinnen die Meissener Bürger ihr Trinkwasser aus dem Uferfiltrat der Elbe. Eine aktuelle Untersuchung der DDR-Professorin Renate Walter habe nachgewiesen, daß die BürgerInnen im Raum Dresden, die ihr Trinkwasser aus dem Uferfiltrat der Elbe beziehen, überdurchschnittlich häufig an Leberkrebs erkrankten.
Der neue Umweltminister Karl-Herrmann Steinberg (CDU) hat unterdessen angekündigt, die Umweltbelastung durch die Industrie in den nächsten 18 Monaten spürbar zu verringern. Die Regierung wolle Gesetze verabschieden, durch die in kurzer Zeit die schärferen europäischen Normen angewendet werden könnten, sagte Steinberg in einem Gespräch mit 'adn‘. Es würden die EG-Grenzwerte oder in einigen Fällen die strengeren bundesdeutschen Bestimmungen gelten.
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