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Gratuliere, Herr Ex-Senator! -betr.: "Schulsterben naht", taz vom 28.2.94

betr.: „Schulsterben naht“, taz vom 28.02.

Über diesen Gastkommentar könnte man wie über so vieles Gedruckte achselzuckend hinweggehen ... wenn es sich dabei nicht um den eines, nein des Ex-Bildungssenators handelte.

Der einst als „Schulschlächter“ berüchtigte Mann, er hat „in seinen besten Tagen“ die Schulen reihenweise (ab)gemäht, Schulzentren wie aus dem Baukasten zusammengefügt, Schulen umgesetzt als handele es sich um „Wirtschaftsstandorte“, die Schulbezirksgrenzen hermetisch geschlossen. All dies im Dienste der Chancengleichheit und der sozialen Integration, wie er und die SPD-Genossen sagten. (Schul- und Bildungsexperten einer EG-Kommission bezeichneten ihn einmal als ein „political animal“.)

Dieser selbe Brechstangen-Politiker lamentiert heute über ein durch die Aufhebung der Schulgrenzen angeblich unvermeidliches Schulsterben, und zwar (wieder) im Interesse des „bildungsschwachen Elternhauses“. Damals (als Senator) hatte er den Gymnasialen Oberstufen übrigens bei 80 Schülern pro Jahrgang eine volle Bestandsgarantie gegeben.

Dazu ist zu sagen: Auch kleinere Schulen (mit achtzig Schülern pro Jahrgang) können interessante, lebendige, gute Schulen sein (dem Ex-Senator empfehle ich die Lektüre neuerer schulpädagogischer Literatur, z.B. von Hentig, Hurrelmann u.a.; falls er nicht mehr lesen mag: den Video-Vierteiler „Lob des Fehlers“ über lebendige und innovative Schulen).

Kleinere Schulen, z.B. im Bremer Westen, könnten durch die Schulverwaltung unterstützt werden , indem kulturelle und andere Projekte besonders (auch finanziell) gefördert werden. Wer sich den Existenzerhalt socher Schulen nur über die Garantie der Schülerzahl vorstellen kann wie Franke und Genossen, der ist und bleibt ein sozialistischer Zwangsbeglücker (denn außer in Bremen gibt/gab es eine solche Einschränkung der freien Schulwahl nur in den zusammengekrachten sozialistischen Systemen, selbstverständlich alles im Interesse der sozial Elenden).

Wer so denkt,„muß“ auch seine politischen Gegner abqualifizieren: die FDP als Bildungsklientelpartei, die Grünen als konzeptlos. (Gegenfrage: Auf welche Schulen haben die Genossen Bildungspolitiker vorwiegend ihre Kinder geschickt? Antwort:Auf Privatschulen)

Der Gastkommentar ist eine Apotheose sozialistischen und zentralistischen Denkens in der Bildungs- und Schulpolitik.

Gratuliere, Herr Ex-Senator! Gert Jugert

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