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Archiv-Artikel

Gottschalk sagt Osterhasen sind unglaubwürdig

CHRISTIAN GOTTSCHALK lebt in Köln und sagt die Wahrheit – alle zwei Wochen in der taz

Ostern, so J., sei eindeutig sein Lieblingsfest. Ein Wochenende genau nach seinem Geschmack. Eines, das mit einem freien Freitag begänne und mit einem freien Montag ende, aber Samstag könne man nochmal einkaufen gehen: Eigentlich, so J., sollte jedes Wochenende so sein. Nette Idee, aber realistisch betrachtet ist das Land noch nicht bereit für eine Drei-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich.

Was ich an Ostern gut finde, sind Nougateier. Krokanteier mag ich auch. Schokoladeneier mit fiesen halbflüssigen Füllungen lehne ich ab. Eigentlich fand ich auch Jesusfilme gucken (und dabei Nougateier essen) immer gut, in diesem Jahr aber läuft die „Passion Christi“. In der Videothek wurde mein Bruder mal Zeuge des folgenden Gesprächs über diesen Film. Kunde: „Gibt es den echt nur auf aramäisch mit Untertiteln?“ Fachpersonal: „Ja, ist aber egal, der Typ kriegt sowieso nur zwei Stunden voll in die Fresse.“ Jesusfilme, bei denen einem die Nougateier wieder hochkommen, lehne ich übrigens auch ab.

Weihnachten ist zu einem schlimmen Konsumfest geworden, Ostern ist anders: Familien rücken eng zusammen, halten inne, lassen die Jagd nach irdischen Gütern ruhen. Verharren in Stillstand und Demut. Und sehet da, es werden Engel erscheinen und sie werden gelb sein und sie werden verkünden: „Der Stau vor Ihnen ist 80 Kilometer lang, möchten Sie einen Tee?“ Und wenn Du nach 28 Stunden Fahrzeit in Südtirol angekommen bist, magst Du den Fernseher einschalten und siehe: Endlich berichten sie mal über Dich. Und Du warst Teil von etwas ganz Großem. Naja, zumindest von etwas sehr Langem. Denjenigen, die in NRW am Osterstau teilnehmen möchten, empfiehlt der Allgemeine Deutsche Automobilclub die Bundesautobahnen eins und drei.

Was ich an Ostern auch gut finde, ist meine jährliche Osterkolumne, die, wie ich bei der Durchsicht meiner Unterlagen gerade feststellen musste, immer von Fernsehen und Staus handelt. Ehrlich gesagt habe ich den Witz mit den gelben Engeln vor zwei Jahren schon mal so ähnlich gemacht, aber in dieser Fassung gefällt er mir besser.

In diesem Jahr habe ich als neues Element das Nougatei eingebaut und dafür auf Blasphemie verzichtet. Dabei ist Blasphemie die sicherste Methode, mal wieder einen erzürnten Leserbrief zu bekommen und sich dadurch rebellisch zu fühlen. Eigentlich könnte man sich zu Ostern ja auch mal fragen, wer jemals auf die Idee kam, ausgerechnet ein Hase würde Eier anmalen und dann verstecken. Vorher kocht er sie in seiner Küche hart oder pustet sie aus. Hasen haben Überbiss. Stellen Sie sich mal einen pustenden Hasen vor. Dagegen ist die Geschichte vom Weihnachtsmann, der im Himmel wohnt, ja richtig glaubwürdig.

Außerdem wird der Osterhase in bildlichen Darstellungen gern als biederer Familienvater gezeigt. Auf diese Art, meine Damen und Herren, hat es die Gattung nicht zum Fruchtbarkeitssymbol gebracht. In diesem Sinne, liebe „Lesehasen“ (Cora Schumacher), schöne Ostern.