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Gorbi und die Bauern

■ Den Bauern will Gorbatschow ein Pachtsystem und das Arbeiten unter eigener Regie anbieten

Berlin (taz) - Am Rande eines Kartoffelackers kam es an den Tag: Gorbatschows Herz schlägt für die Bauern. Wie wärs, „wenn ihr echte Eigentümer des Landes wäret, das ihr bearbeitet?“, fragte der Parteichef die Umstehenden vor den surrenden Kameras des sowjetischen Fernsehens. Da könnte man sich vorstellen, daß die Bauern Land und Maschinen pachten und auf eigene Rechnung den Boden bearbeiten, fügte er hinzu. Auf der nächsten Sitzung des Zentralkomitees solle die Agrarpolitik einer kritischen Prüfung unterzogen werden. „Ich habe meine eigenen Pläne für die Landwirtschaft“, tat Gorbatschow dem staunenden Land– und Fernsehvolk kund. Wichtig sei vor allem, daß in der Politik der Perestroika (Umgestaltung) „Initiative, Selbständigkeit und Risikofreude“ blühten. Jeder müsse sein persönliches Interesse einbringen können, dies käme dann auch wiederum dem Staate zugute. Doch am selben Tag bezeichnete er die Schwarzbrennerei von Alkohol als skandalös. Trotz Erhöhung der Zuckerproduktion um 14 leergefegt. Seit Beginn dieses Jahres wurden mehr als 100.000 Schwarzbrennern das Handwerk gelegt und in zwei Jahren 900.000 Destillierkolben beschlagnahmt. Aber die Findigkeit der Fuselbrenner ist beispielhaft. Vielleicht sollte der Generalsekretär doch darüber nachdenken, ob mit dem Verbot von Alkohol der Alkoholismus überwunden wird. „Initiative und Risikofreude“ der Schwarzbrenner jedenfalls könnten der Landwirtschaft zugute kommen - und damit auch dem Staat.

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