Googles virtueller Dienst "Lively": Der Design-Minimalist wird 3D
Der Internet-Konzern Google wagt sich in den umkämpften Bereich der virtuellen Welten: Mit "Lively" hat er einen kleinen Konkurrenten zu "Second Life" & Co. geschaffen.
Wenn man Internet-Futurologen fragt, was sie in den nächsten Jahren vom Web erwarten, heißt es gerne, dass das Netz sich bald in drei Dimensionen erweitern wird. Vorhergesagt werden unter anderem große virtuelle Welten, in die die Nutzer richtig eintauchen können. Rein textbasierte Seiten wären dann womöglich Vergangenheit. Beim Internet-Konzern Google, bislang eher bekannt für minimalistisches Design, scheint man ähnlich zu denken - zumindest fängt die Firma nun an, erste Schritte in diese Richtung zu unternehmen.
Googles erster großer Ausflug in den Bereich der 3D-Welten nennt sich "Lively". Der Dienst ist seit Dienstag als Vorabversion verfügbar und platziert sich als kleinerer Konkurrent zu großen Anbietern wie "Second Life". Statt eine eigene Client-Software vorauszusetzen, integriert sich "Lively" mit einem kurzen Download in den Browser: Ähnlich wie YouTube-Videos lässt sich der Dienst mit wenigen Klicks auf die eigene Homepage holen und überbrückt so die Unterschiede zwischen Web und virtueller Welt.
Hauptzweck von "Lively" ist zunächst die Schaffung virtueller Chaträume: Der Nutzer kann sich ein eigenes 3D-Zimmer mit diversen Einrichtungsgegenständen vom Sofa bis zur Lampe zusammenstellen und Besucher seiner Website dann dorthin einladen. Zuvor kann man sich einen repräsentativen Avatar, eine 3D-Figur, die für den Nutzer steht, aussuchen - viele davon sind in der Ausgangsversion allerdings eher Comic-ähnlich und damit weniger realistisch als bei Second Life.
Maximal 20 Personen können gleichzeitig in einem Raum kommunizieren. Der Chat läuft per Tastatur und taucht in Sprechblasen auf, allerdings kann man auch Gesten ausführen. Auf der "Lively"-Website kann man sich bereits in einer langen Liste aus Räumen und Gegenständen bedienen, um sich eine eigene virtuelle Heimstatt zu schaffen. Auch YouTube-Videos oder eigene Bilder sind einfügbar. Auch lassen sich bestehende Gegenstände verändern und anderen Nutzern zur Verfügung stellen, ein kurzer Download genügt. Noch läuft "Lively" allerdings nur unter Windows in den Browsern Internet Explorer und Firefox - Nutzer von Mac- oder Linux-Rechnern müssen zunächst draußen bleiben.
Das Thema virtuelle Welten war jahrelang ein echter Hype. Kaum ein Magazin schrieb nicht über die Aufregung um Angebote wie Second Life. In den letzten zwölf Monaten hat sich die Euphorie allerdings deutlich verringert. Markenfirmen, die in virtuellen Welten warben und mit viel Aufwand eigene Präsenzen einrichteten, mussten erkennen, dass die damit erreichbare Zielgruppe noch gering ist, weil beileibe nicht jeder Nutzer mit den 3D-Universen umgehen kann.
Beim Vorreiter Second Life wechselten wichtige Spitzenmanager; zuletzt gab der neue Firmenchef Mark Kingdon offen zu, dass man sich unter anderem in Sachen Technik verhoben habe. So wirkt die grafische Darstellung insbesondere im Vergleich zu aktuellen Computerspielen inzwischen reichlich altbacken, während Nutzer immer wieder über Probleme bei der Serverkapazität klagten. Auch kam es zu Problemen beim internen Bezahlsystem, mit dem man sich virtuelle Güter kaufen kann - einige der in Second Life operierenden virtuellen Banken erklärten sich gar für bankrott. Doch ganz am Boden ist der Dienst keinesfalls: Es tummeln sich weiterhin Hunderttausende Nutzer gleichzeitig in dem Angebot, 13 Millionen haben sich aktuell registriert. Eine große Szene sorgt zudem für den weiteren Ausbau des Angebots. Die Möglichkeiten, sich eigene 3D-Nischen zu schaffen, sind groß.
Google blieb bis zur Einführung von "Lively" bei alldem außen vor. Zwar betreibt der Konzern mit Google Earth einen Dienst, in dem Satellitenbilder der ganzen Erde mit 3D-Modellen von Gebäuden kombiniert werden können. Zu einem offiziellen Zusammengang mit einer echten virtuellen Welt kam es jedoch nicht, obwohl eine Kombination der Second Life-Möglichkeiten und dem Abbild der Erde von Experten immer wieder gefordert wurde. Auch "Lively" wird dies zunächst nicht bieten.
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