Google verrät Einzelheiten zu seinem Betriebssystem: Chrome OS auf Linux-Basis
Bisher war noch äußerst vage, wie der Internet-Riese Microsoft und Apple angreifen würde. Nun hat Google erstmals Details genannt. So soll der Kern von "Chrome OS" frei sein.
Wenn es nach Google geht, ändert sich in etwa einem Jahr die Arbeit am Computer radikal. Dann soll mit "Chrome OS" das erste Betriebssystem des Internet-Konzerns verfügbar sein – kostenlos für jeden Interessierten. Das Besondere daran: Statt wie von Windows, Mac OS X oder Linux gewohnt mit Dateien, Ordnern und einzelnen Programmen zu hantieren, arbeitet der Chrome OS-Nutzer direkt mit dem Web.
Die Software ist damit eine Art aufgeblasener Browser, basierend auf Googles Eigenkreation Chrome, die seit Herbst letzten Jahres Firefox, Internet Explorer, Safari und Co. Konkurrenz macht.
Die Idee dabei: Da PCs inzwischen vor allem für den Netzzugang verwendet werden und sich immer mehr Anwendungen direkt im Browser abspielen – Google selbst bietet vom Büropaket über die E-Mail-Lösung bis zur Fotoverwaltung beispielsweise fast alles – könnte der Rest des Betriebssystems ja eigentlich einfach wegfallen.
Am Donnerstagabend deutscher Zeit gab Google erstmals nähere Details zu Chrome OS bekannt. Auf einer Pressekonferenz im Hauptquartier der Firma im kalifornischen Mountain View präsentierten die zuständigen Manager und Entwickler die Strategie hinter dem Betriebssystem.
Demnach soll der Kern ähnlich wie beim Browser Chrome als freie Software (Open Source) veröffentlicht werden, damit die Entwicklergemeinde im Netz sich beteiligen kann. Die stark an Google selbst angebundenen Dienste dürften jedoch weiterhin "Closed Source" bleiben, also für Dritte unzugänglich.
Google verspricht einige Verbesserungen gegenüber traditionellen Betriebsystemen. So soll der Boot-Prozess nach dem Einschalten nur noch wenige Sekunden dauern, da sich der Nutzer mit seinem Google-Account auch am Rechner anmeldet, braucht er das nicht mehr bei Google Mail und anderen Diensten zu tun.
Das System selbst ist sehr Browser-zentristisch aufgebaut: Man findet eine Leiste mit einzelnen Tabs am oberen Bildschirmrand und kann zwischen diesen dann nach Belieben wechseln – auch mit Mausgesten und über einen so genannten "Overview"-Mode, der alle verfügbaren Fenster zeigt.
Web-Anwendungen lassen sich zudem links oben in Form kleiner Icons anbringen. Zusatzprogramme, so genannte Widgets, laufen in kleinen Fenstern, den Panels, die über dem Browser schweben oder in die rechte Seitenleiste verbannt werden können. Ein Datei-Management existiert nur noch rudimentär: Schließt man etwa eine Kamera an, taucht diese als Panel an.
Ein Bild lässt sich dann auf einen Google-Dienst verschieben oder in ein Mail-Fenster ziehen. Google-Manager Sundar Pichai sagte, inzwischen sei "jede Anwendung eine Web-Anwendung" und fast alle Daten im Netz. "Wir leben in der Wolke", sagte er.
Entsprechend radikal arbeitet Chrome OS auch: Daten werden vor allem im Internet gespeichert – dabei bewegt sich der Nutzer stark in einer Google-Welt, obwohl der Online-Konzern betont, auch Dritten die Möglichkeit zu geben, eigene Dienste unter Chrome OS anzubieten.
Warum ausgerechnet Google ein Betriebssystem schafft, darüber hüllt sich der Konzern in Schweigen. Beobachter denken aber, Zweck der Übung sei, Konkurrenten zu schwächen und gleichzeitig noch mehr Nutzer in Google-Diensten zu halten, wo das Unternehmen dann wieder lukrativ Werbung verkaufen kann.
Laufen soll Chrome OS hauptsächlich auf Rechnern der Netbook-Liga – kompakten Maschinen mit Dauer-Netzzugang über WLAN oder Handy-Netze, die unter 400 Euro kosten. Aber auch die neue Klasse der Internet-Tabletts wäre ein Chrome OS-Kandidat.
Intern basiert das System auf Linux, das von Google aber gehörig aufgebohrt wurde – die Programmierer rühmen sich, alles unnötige weggelassen zu haben. Interesse an Chrome OS zeigen bereits erste PC-Hersteller, die Microsoft Windows zunehmend fremd gehen.
Passend zum Medientermin veröffentlichte Google auf YouTube neben einem allgemeinen Werbefilmchen einige Konzeptvideos, die zeigen, wie Chrome OS aussehen könnte, wie eine vollständig auf einer offenen Internet-Anbindung basierende Plattform trotzdem sicher sein soll oder wie flott der neue Betriebssystem-Wettbewerber einen Rechner startet.
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