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Google stellt Street View vor"Danke Peter"

Google feiert sich selbst und stellt der Presse in der Hamburger Hafencity "Street View" vor. Draußen natürlich. Und benutzt dabei auffällig oft die Worte "Datenschutz" und "Gefühl".

Sie darf auch noch einmal medienwirksam radeln: Bianca Keybach, Geschäftsführerin der Oberstaufener Tourismusgesellschaft. Bild: dapd

HAMBURG taz | Mit dem Cruise Center, das wie ein Haufen aufeinander gestapelter Container aussieht, hat Google einen passenden Ort für die Präsentation seines Straßenbilderdienstes gefunden. Groß genug, um Teile der Street-View-Ansicht der Gemeinde Oberstaufen auszudrucken und als Kulisse aufzubauen. Und mit der grau vorbeifließenden Elbe trostlos genug für einen Hauch Fernweh.

Gegen letzteres soll nun die virtuelle Reise in 20 deutsche Großstädte helfen. Google-Sprecher Kay Overbeck, der die versammelte Presse auf den Bierbänken begrüßt, sich auf die nächsten 90 Minuten freut und der an diesem Vormittag vieles sehr sehr eindrucksvoll nennen wird, findet, der Ort passe thematisch toll zum Slogan von Street View: "Das Leben ist eine Reise".

Gereist ist auch Googles Mann für Nord- und Zentraleuropa, Philipp Schindler, der als erster auf die Bühne darf. Er ist extra aus New York gekommen, um den Anwesenden mit tiefer Stimme eine Botschaft mit auf den Weg zu geben: "Sehen Sie sich mit unserem Produkt ihren Lieblingsstadtteil an! Erkunden Sie mit dem Produkt die Gegend, in der Sie aufgewachsen sind!" Zwischendurch lässt er noch hier und dort das Wort Datenschutz fallen und geht ab.

"Danke Philipp!", übernimmt Kay wieder und holt Wieland Holfelder, den Leiter des Entwicklungszentrums in München auf die Bühne. "Karten sind eines der ältesten Kommunikationsmittel der Menschheit", sagt Wieland und lässt das Wort "Menschheit" gerade so lang im Raum nachhallen, bis man sich in einer Andacht im Michel wähnt. Und sein virtueller Stadtrundgang durch München zieht sich ähnlich zäh in die Länge.

Randlose Brille, als einziger ein braunes und kein schwarzes Sakko, Auftritt des Datenschutzbeauftragten Peter Fleischer. "2,89 Prozent haben die Unkenntlichmachung ihrer Häuser beantragt", referiert Peter. Und später sagt er noch, dass die Verhandlungen mit den Datenschützern in Frankreich eine Woche dauerten, in Deutschland zwei Jahre: "Was als Privatsphäre betrachtet wird, ist kulturell bedingt. Aber wir versuchen, Sensibilität an den Tag zu legen."

"Danke Peter", verabschiedet Kay den Datenschützer und holt Walter Grath zu sich, seit 25 Jahren Oberbürgermeister in Oberstaufen und offenbar ein echter Marketingprofi. Hat er es doch geschafft, Oberstaufen als erste deutsche Gemeinde bei Street View zu präsentieren. Und weil es so schön war und die meisten der Anwesenden nicht dort sein konnten, damals vor zwei Wochen als Oberstaufen virtuell wurde, gibt es einen kurzen Film: Alphörner, Lederhosen, Sektgläser, riesige Torte mit Street-View-Verzierung. "Hätten Sie gedacht, dass Sie so etwas damit lostreten?", fragt Kay. "Niemals", sagt Walter. "Wir bekommen Post von Stammgästen die sagen: Die in Oberstaufen treten auf, die trauen sich was, wunderbar." Und geht ab, nach dem auch er einmal Datenschutz gesagt hat.

"Marc, komm zu mir", begrüßt Kay Marc Stilke von ImmobilienScout 24, einem der diversen Partner von Google Street View. Und Marc hat auch einen Film mitgebracht: "Familie Jansen sucht eine Wohnung in Hamburg" - und findet etwas überraschend eine. Und dass, ohne aus dem Haus gehen zu müssen, weil jetzt ja alles virtuell zu betrachten ist. Marc sagt in mindestens zehn Zusammenhängen das Wort Gefühl und seinen Auftritt beendet er mit dem Satz: "Jetzt kommen wir endlich weg von der rein funktionalen hin zur emotionalen Wohnungssuche."

Nach fast 90 Minuten wird es langsam kalt im Cruise Center, es zieht. Und die Auslage der Landbäckerei Sinz in der Kulisse macht Appetit. "Sehr sehr eindrucksvoll, Marc!", sagt Kay und am Ende dürfen nochmal alle Mitwirkenden auf die Bühne. Nur die gemeinsame Verbeugung aller Mitwirkenden fehlte.

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4 Kommentare

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  • GS
    get smart

    Wann kapiert ihr endlich, dass StreetView-Fotos aus ca. 3 m Höhe NICHT mit der normalen Sicht eines Passanten oder eines Fotos auf Augenhöhe (ca. 1,5 - 1,7 m Höhe) zu vergleichen sind?

     

    Und wann kapiert ihr endlich, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein GRUNDRECHT ist und ihr bitteschön die Grundrechte anderer Menschen zu achten habt.

     

    Wer sich gerne vor der Welt nackig machen will und jedem gerne zeigt wie er wohnt, darf das jederzeit machen - wer aber verlangt, dass wegen seinem persönlichen Spaß gefälligst 82 Millionen Deutsche zwangsverplichtet werden soll zur Veröffentlichung, zeigt, dass er auf Grundrechte scheißt und ein UN-Demokrat ist.

     

    Wer übrigens kritisiert, dass wegen eines Bewohners gleich ein ganzer Wohnblock gepixelt wurde, der sollte mal nachdenken, WEN er damit kritisiert: Nicht der Bewohner hat gefordert, dass man den gesamten Block verpixelt (dem geht es ja nur um seine Wohnung), sondern das macht GOOGLE. Und zwar nur aus dem Grund, weil das einfacher (und billiger) ist, als einzelne Wohnungen und Abschnitte zu pixeln.

     

    ...verständlich, dass Google möglichst kostengünstig arbeiten will, schließlich verdient ja der Bürger über Werbung an seinen Bildern und nicht Google...oder?

     

     

    Und wenn man "nur" ein weltweit agierender Konzern mit mehrfacher Monopolstellung im Bereich Internet ist, mit der größten weltweit verteilten Rechenpower aller Firmen auf der ganzen Welt ist, der allein im Jahr 2009 einen Umsatz von 24 Milliarden gemacht hat und dabei 6,5 Milliarden Nettogewinn gemacht hat, hat man ja kaum Möglichkeiten...

  • S
    sinDY

    Die Leute, die Widerspruch eingelegt haben, sind doch nur welche, die sich jetzt dran aufgeilen, mal dagegen gewesen zu sein.

    Was soll den so schlimm sein an Street View? Guckt man sich die Urlaubsfilme mancher Japaner an, kann man ein Daumenkino draus machen. Und die stellen die unverpixelt auch ins Netz.

    In England wirste auf Schritt & Tritt für die Staatsmacht gefilmt. Da wirste auch als Deutscher gefilmt, und keine Sau legt Widerspruch ein.

     

    Aber wenn sie mal dagegen sein können, machen die ganzen Hobby-Anarchisten gerne mit.

  • PH
    peter h

    ach taz,

     

    die veranstaltung hast du mit der nötigen priese ironie betrachtet und hier und da einen seitehieb auf das gehabe der protagonisten solcher events gesetzt. unterhaltsam ist dein text auch. aber warum, liebe taz bist du eigentlich so reaktionär geworden? du verwechselst das - glaube ich - mit kritischer atitüde. das ist ein wenig traurig.

     

    viel zum thema street view konnte man bei dir lesen. das meiste war leider nicht offen dem thema über, wie ich das mal von dir gewohnt war. eher reflexartig, würde ich dein verhalten beschreiben. so nach dem motto: großer konzern google, muss böse sein und kann nur böses machen. das bilser der öffentlichen raums jetzt verpixelt sind, passt irgendwie nicht zu deinem liberalen freiheitlichen sonst. in meiner straße sin das 7 stück. ob dann auch bald satelitenfotos retouchiert werden müssen, oder ganze orte aus dem guten alten diercke weltatals verschwinden?

     

    street view ist eine großartige sache, die mich die welt wieder mal anders erleben läßt und mich an orte aus meiner vergangenheit bringt. schade, dass ich das haus meiner kindheit nicht sehen kann, hat wohl einer von 20 mietern gedacht, die außenwand seiner mietwohnung sei privatspähre ...

  • N
    nerdy

    Typisch Google, immmer schön Propaganda machen und falsche Vergleiche ziehen. "Karten sind eines der ältesten Kommunikationsmittel der Menschheit" ist eine Verdummung der Bürger, da Karten bisher immer nur eine völlig ABSTRAKTE Sicht aus der Vogelperspektive erlaubte, keine echten Häuserfotos darstellte, schon garnicht aus 3 Meter Höhe, wobei man damit jeden handelsüblichen Zaun oder Sichtschutz übergeht (der natürlich genau deswegen angebracht wurde, damit NICHT jeder über den Zaun oder in die Privatsphäre gucken oder fotografieren kann!)

     

    Hätte Google sich einfach nur daran gehalten und die übliche Fotopersektive (sprich Augenhöhe!) gewählt, hätten die Menschen deutlich weniger Probleme damit. Da machen die feinen Herren Spannerfotos über Zäune und Sichtschutz und wundern sich dann ganz furchtbar, warum das bei vielen Leuten nicht gut ankommt!